Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz von Bündnis 90/Die Grünen, zeichnet sich durch eine unkonventionelle Herangehensweise in seiner Funktion aus. Er schiebt die Verantwortung für die eskalierenden Energiepreise auf Wladimir Putin und den Konflikt in der Ukraine. Diese Sichtweise verkennt jedoch die wahren Ursachen, die tiefer in den wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen der Grünen verwurzelt sind. Unausweichlich wird deutlich, wer letzten Endes die Rechnung dafür zahlen muss.
Habecks Reden, wie seine jüngste zum Antisemitismus in Deutschland, demonstrieren seine außergewöhnliche politische Haltung und seinen einzigartigen Stil in der Politik. Dies wird weiter durch sein 57-seitiges Dokument „Industriepolitik in der Zeitenwende“ untermauert, in dem er seine wirtschaftspolitischen Absichten auf eine Art und Weise darlegt, die in der Geschichte der deutschen Wirtschaftsminister ihresgleichen sucht.
Diese Herangehensweise verdient Anerkennung, insbesondere da das Dokument Ansichten und Standpunkte enthält, die man von einem Grünen-Minister eher nicht erwarten würde. Hervorzuheben ist die Erkenntnis, dass eine Energiewende ohne CCS (Carbon Capture and Storage) nicht machbar ist, das deutliche Bekenntnis zu einer auf Wachstum fokussierten Wirtschaftspolitik und die Forderung nach einer umfassenden Entbürokratisierung in Deutschland.
Eine solch transparente Darlegung wirtschaftspolitischer Prinzipien und Überzeugungen lädt jedoch auch zu einer tiefgreifenden Analyse ein. Und diese Analyse legt offen, dass die sogenannten Habeckonomics von Widersprüchen durchzogen sind und die daraus resultierenden Implikationen erhebliche Risiken und Gefahren bergen.
An vorderster Stelle von Habecks Argumentation steht eine Behauptung, die irreführend ist und absichtlich von einem wesentlichen Punkt ablenkt: Die gegenwärtig hohen Energiekosten in der deutschen Wirtschaft seien ausschließlich eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine.
Hierbei übersieht Habeck jedoch einen kritischen Fakt: Bereits vor Ausbruch des Krieges hatte Deutschland die weltweit höchsten Strompreise, wobei insbesondere energieintensive Branchen durch Sonderregelungen und Privilegien größtenteils entlastet waren. Klein- und Mittelunternehmen sowie private Haushalte spürten jedoch schon damals die Last der Energiewende, die Hauptursache für diese hohen Preise, in vollem Umfang.
Die Verwendung Putins als Sündenbock, um von den Auswirkungen der grünen Energiepolitik auf die hohen Energiepreise abzulenken, ist kein solider Ausgangspunkt für eine wirtschaftspolitische Analyse. Dadurch wird ein entscheidender Aspekt übersehen: Die Kosten für das neue Energiesystem, das Habeck implementieren möchte, waren bereits exorbitant und werden weiter in die Höhe schnellen, sollte Deutschland tatsächlich das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die bisherigen Umstellungsmaßnahmen im Vergleich zu den Anforderungen der Klimaneutralität nur geringfügig waren.
Um Klimaneutralität zu erreichen, muss der gesamte, nach dem Krieg aufgebaute fossile Kapitalstock Deutschlands abgebaut und durch einen neuen, vollständig auf erneuerbaren Energien basierenden Kapitalstock ersetzt werden. Genau diese Art der Transformation wird in Habecks Papier beschrieben. Und sie wird als ein staatlich initiierte und weitgehend staatlich finanzierte Prozess dargestellt. Deutschland hat diesen Prozess bereits begonnen.
Die Beendigung der Stromerzeugung aus Kohle, die deutliche Erweiterung der Wind- und Solarenergiekapazitäten sowie der Abschied von der Kernenergie, das Aus für Verbrennungsmotoren und fossile Heizungen sowie die staatlich finanzierte Umstellung der Grundstoffindustrie (Stahl, Chemie, Glas, Aluminium usw.) sind zwar erst am Anfang, aber der Weg ist bereits eingeschlagen.
Das Wirtschaftsministerium betrachtet diese Entwicklungen als Erfolg und zeigt sich erstaunt über das Engagement und die Kooperationsbereitschaft der Stahlindustrie. Doch diese Reaktion erscheint naiv. Was hätte man auch anderes erwarten sollen? Unternehmen sträuben sich selten gegen die Entgegennahme von Subventionen in Milliardenhöhe, besonders wenn diese ohne strenge Dokumentations- und Nachprüfverpflichtungen gewährt werden.
Zudem verspricht der Staat, dass der teure grüne Stahl später auf sogenannten grünen Leitmärkten verkauft werden kann, auf denen der Staat als dankbarer Abnehmer fungiert. Aus Unternehmenssicht scheint alles in bester Ordnung zu sein. Für uns Steuerzahler jedoch sollte dies Anlass zur Sorge geben, denn es sind nicht nur die Milliarden für den Industrieumbau, die Habeck ankündigt. Es handelt sich um eine Vielzahl von Förderprogrammen, Subventionen, Unterstützungen und Steuervergünstigungen, die zur Vorantreibung der Transformation dienen sollen.
Diese Transformation wird kostspielig sein, und der ursprüngliche Plan, die Lasten auf zukünftige Generationen zu verschieben, ist gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht zielte in seinem Klimaurteil darauf ab, zukünftige Generationen vor untragbaren Lasten zu schützen. Habeck versuchte, diesen Schutz zu umgehen, indem er die Transformation vollständig über Staatsverschuldung finanzierte, für die die heutigen Wähler nicht aufkommen müssen. Doch diese Strategie ist nun nicht mehr umsetzbar. Die gegenwärtige Generation wird die volle Last tragen müssen.
Das Problem dabei ist, dass der neue Kapitalstock, den wir benötigen, extrem teuer ist. Er verlangt für die Gewinnung, den Transport und die Nutzung von Energie eine ressourcenintensive und deutlich aufwendigere Technologie als der alte fossile Kapitalstock. Da Deutschland den fossilen Kapitalstock schneller abbaut als jedes andere Land, wächst das Problem stetig, was uns ärmer macht.
Neben den Kosten für den Umbau kommen die sozialen Kosten des Abbruchs hinzu, die abgefedert werden müssen – und das sind nicht die einzigen Belastungen. Die Notwendigkeit zur Aufrüstung, der marode Zustand des Bildungssystems und der Infrastruktur sowie insbesondere der demografische Wandel werden Deutschland schwer belasten. Ökonomisches Denken beginnt mit der Anerkennung, dass Ressourcen begrenzt sind und nicht ausreichen, um alle Wünsche zu erfüllen.
Das effiziente Einsetzen dieser Ressourcen, um die Knappheit zu verringern, ist das Herzstück ökonomischen Denkens. Dieses Prinzip findet innerhalb der Habeckonomics kaum Beachtung. Dort scheint es keine Budgetrestriktionen, keine Knappheit zu geben, und das Konzept der Kosteneffizienz wird nahezu ignoriert. Dies ist gefährlich, denn wenn man den funktionierenden Kapitalstock opfert, ohne die Ressourcen für einen neuen aufbringen zu können, nimmt die Wirtschaftspolitik einen selbstzerstörerischen Charakter an.
Das Fehlen eines grundlegenden ökonomischen Verständnisses wird besonders deutlich, wenn Habeck das ETS (European Emission Trading System) als zentrales Instrument vorstellt. Er beschreibt es als ein Instrument, das die hohen Schadenskosten des Klimawandels teilweise internalisiert und Unternehmen ein klares Preissignal gibt. Dies zeigt jedoch ein Missverständnis des ETS, das im Kern ein Mengeninstrument ist. Es legt eine Höchstmenge an CO2-Emissionen fest, und die Reduktion erfolgt durch die jährliche Verringerung dieser Menge. Der Marktpreis für Emissionsrechte ist für die Gesamtemissionen unerheblich und signalisiert nur die Kosten, die bei Einhaltung der Mengenvorgabe entstehen.
Ein Missverständnis des ETS als Preisinstrument kann zu schweren Fehlern führen, wie es 2018 der Fall war, als die niedrigen ETS-Preise fälschlicherweise als Problem angesehen wurden. Eine vor allem von den Grünen vorangetriebene Reform des ETS hat zu einer Verzehnfachung der Preise für Emissionsrechte geführt. Die hohen Stromkosten, die Habeck heute beklagt, sind eher auf diesen politischen Fehler zurückzuführen als auf den Konflikt in der Ukraine. Wir alle zahlen noch immer den Preis dafür, dass viele Politiker die Funktionsweise des Emissionshandels nicht vollständig verstanden haben. Dieses Missverständnis findet auch in den Habeckonomics seinen Platz und hat dort weitreichende Folgen.
Quelle: WELT