
Im nordportugiesischen Peneda-Gerês-Nationalpark, einem Ort, der für seine beeindruckenden, unberührten Landschaften bekannt ist, haben über Jahrhunderte hinweg gebaute Wasserbecken und Bewässerungssysteme eine neue, bedeutende Funktion entdeckt. Diese Strukturen, die einst das Herz des ländlichen Lebens bildeten, erweisen sich heute als entscheidende Rückzugsorte und Fortpflanzungsstätten für Amphibien. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) durchgeführt wurde und kürzlich in der Fachzeitschrift Ecosphere veröffentlicht wurde.
Die Studie zeigt auf, wie die jahrhundertealten, menschlich geschaffenen Wasserstrukturen in einer Zeit, in der natürliche Feuchtgebiete durch Klimaveränderungen und intensive Landnutzung immer stärker belastet werden, eine unerwartete ökologische Bedeutung gewinnen. Der Peneda-Gerês-Nationalpark, Portugals erster Nationalpark, ist ein einmaliges Beispiel, in dem alte Dorftraditionen und weitgehend unberührte Ökosysteme aufeinandertreffen. Trotz des Rückgangs der ländlichen Bevölkerung und der damit verbundenen Verlassenschaft vieler Dörfer bleiben die gemeinschaftlichen Wasserbecken, Steinbrunnen und Bewässerungskanäle erhalten.
Dr. Jose Valdez, der Hauptautor der Studie, hebt hervor, dass diese vom Menschen geschaffenen Rückzugsräume für den Erhalt bedrohter Arten von großer Bedeutung sein können. Um die Rolle dieser historischen Strukturen für Amphibien zu untersuchen, führten Valdez und sein Team eine umfassende Feldstudie durch. Dabei wurden 162 verschiedene Gewässer im Nationalpark untersucht, darunter sowohl natürliche Gewässer wie Teiche und Bäche als auch künstliche Wasserbecken und Brunnen. Die Forscher erfassten die dort vorkommenden Amphibienarten und deren Fortpflanzungsverhalten, um den ökologischen Wert der unterschiedlichen Gewässertypen zu bewerten.
Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert: Obwohl natürliche Gewässer in der Regel eine größere Artenvielfalt aufweisen, spielen auch die künstlichen Wasserstrukturen eine unerwartet wichtige Rolle für die Amphibienpopulationen. Besonders die historischen Steinbecken erwiesen sich als äußerst attraktive Lebensräume für Amphibien. In zwei Dritteln dieser Becken wurden Amphibien nachgewiesen, und ein Viertel dieser Gewässer diente sogar als Brutstätte. Überraschenderweise boten die Wasserbecken eine größere Artenvielfalt als viele natürliche Gewässer. Endemische Arten wie der Marmormolch und der Bosca-Molch legten ihre Eier häufig in diesen historischen Strukturen ab, anstatt in den benachbarten natürlichen Teichen.
Jose Valdez erläutert, dass künstliche Becken in vielerlei Hinsicht eine stabilere und sicherere Umgebung für die empfindlichen Eier und Larven der Amphibien bieten, insbesondere angesichts der Herausforderungen, die durch den Klimawandel an natürlichen Lebensräumen auftreten. Dennoch betonen die Forscher, dass diese künstlichen Strukturen nicht als Ersatz für natürliche Ökosysteme betrachtet werden sollten. Viele Amphibienarten sind nach wie vor auf natürliche Gewässer angewiesen, und beispielsweise der Iberische Frosch und der Feuersalamander wurden fast ausschließlich in natürlichen Lebensräumen gefunden.
Die Forschungsergebnisse verdeutlichen die wichtige Rolle, die das kulturelle Erbe und die menschliche Geschichte bei der Unterstützung lokaler Amphibienpopulationen spielen können. Henrique Pereira, Seniorautor der Studie und ehemaliger Direktor des Nationalparks, betont, dass der Erhalt dieser vom Menschen geschaffenen Strukturen in Kombination mit dem Schutz natürlicher Lebensräume entscheidend ist. Auf diese Weise können sowohl das kulturelle Erbe als auch die Artenvielfalt in dieser einzigartigen Region bewahrt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kombination aus traditioneller Wasserbewirtschaftung und der Erhaltung natürlicher Lebensräume nicht nur den Schutz bedrohter Arten fördert, sondern auch eine Verbindung zwischen Kultur und Natur schafft, die für zukünftige Generationen von großer Bedeutung ist.