
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie hat gemeinsam mit internationalen Kollegen die Biosynthese von Ipecacuanha-Alkaloiden in zwei unterschiedlichen Pflanzenarten untersucht. Diese Forschung zeigt, dass beide Pflanzen ähnliche chemische Wege zur Produktion dieser komplexen Verbindungen nutzen, jedoch auf unterschiedliche Enzyme und Ausgangsstoffe zurückgreifen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, um die Herstellung dieser medizinisch wertvollen Substanzen in größerem Maßstab zu ermöglichen.
Die Ipecacuanha-Alkaloide, die in der Natur vorkommen, haben sich in zwei evolutionär distanten Pflanzenarten entwickelt: der Brechwurzel (Carapichea ipecacuanha), die zur Familie der Enziangewächse gehört, und dem Salbeiblättrigen Alangium (Alangium salviifolium), das in der ayurvedischen Medizin verwendet wird und zur Familie der Hartriegelgewächse zählt. Früher fanden Ipecacuanha-Alkaloide, insbesondere der Extrakt der Brechwurzel, breite Anwendung als Brechmittel bei Vergiftungen, was deren medizinische Bedeutung unterstreicht. Die Hauptbestandteile, die das Erbrechen auslösen, sind Cephaelin und Emetin, die beide von der weniger bekannten Vorstufe Protoemetin abgeleitet sind.
Die Forschung, die von Maite Colinas geleitet wird, zielt darauf ab, die chemischen Prozesse zu verstehen, die zur Bildung dieser Alkaloide führen. Der letzte gemeinsame Vorfahr der beiden untersuchten Pflanzen lebte vor über 100 Millionen Jahren, was die Forscher zu der Hypothese führte, dass die Biosynthese von Ipecacuanha-Alkaloiden in beiden Arten unabhängig voneinander entstanden ist. Eine zentrale Fragestellung war, ob die beiden Pflanzen sowohl chemisch als auch enzymatisch ähnliche oder unterschiedliche Wege zur Synthese dieser Verbindungen gefunden hatten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Ipecacuanha-Alkaloide in allen Geweben der beiden Pflanzen vorhanden sind, wobei die höchsten Konzentrationen in jungen Blättern und unterirdischen Organen zu finden sind. Durch die Analyse von Geweben mit unterschiedlichen Gehalten an Alkaloiden konnten Gene identifiziert werden, die an der Biosynthese dieser Verbindungen beteiligt sind. Mithilfe genetischer Transformationen an Modellsystemen gelang es dem Forschungsteam, den Biosyntheseweg schrittweise nachzuvollziehen. Dabei gab es einige unerwartete Erkenntnisse, insbesondere dass der erste Schritt der Biosynthese nicht enzymatisch gesteuert wird, sondern spontan erfolgt.
Ein weiteres überraschendes Ergebnis war die Entdeckung eines ungewöhnlichen Enzyms, dessen Struktur sich grundlegend von anderen Enzymen unterscheidet, die ähnliche Reaktionen katalysieren. Diese Enzymklasse ist in der Regel nicht an der Produktion von Naturstoffen beteiligt, was möglicherweise der Grund dafür ist, dass sie erst als letzte Komponente in der Studie identifiziert werden konnte. Besonders interessant ist, dass die Enzyme im Zellkern lokalisiert sind, während das Substrat in der Vakuole vermutet wird. Diese räumliche Trennung könnte der Pflanze helfen, potenziell toxische Zwischenprodukte zu vermeiden. Nur wenn das Gewebe durch einen Fressfeind wie eine Raupe beschädigt wird, kommen Enzym und Substrat zusammen, und die toxischen Verbindungen werden als Abwehrstoffe aktiviert.
Die Erkenntnisse über die Biosynthese von Ipecacuanha-Alkaloiden könnten weitreichende Implikationen für die medizinische Forschung haben. Da die Biosynthese in den beiden Pflanzen unabhängig voneinander entwickelt wurde, stellt dieser Prozess ein Modell für die Untersuchung der Evolution von Naturstoffbiosynthesen dar. Folglich könnten die in Alangium identifizierten nachgeschalteten Metaboliten, die ebenfalls interessante pharmakologische Eigenschaften aufweisen, künftig in größeren Mengen verfügbar gemacht werden, um ihre Wirkungen besser zu erforschen.
Die Forschungsergebnisse sind nicht nur eine wichtige Grundlage für die biochemische Wissenschaft, sondern könnten auch dazu beitragen, die Nutzung dieser pflanzlichen Stoffe in der Medizin zu optimieren. In weiteren Studien wird das Team daran arbeiten, die verbleibenden Schritte der Biosynthese zu entschlüsseln, um ein vollständiges Bild des Stoffwechselwegs zu erhalten.