
Die globale Aufmerksamkeit richtet sich zunehmend auf die Wiederherstellung von geschädigten Ökosystemen, insbesondere im Rahmen der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen sowie durch neue gesetzliche Vorgaben der Europäischen Union. Eine aktuelle Untersuchung, die von einem internationalen Team unter der Leitung der Universität Göttingen und der Freien Universität Berlin durchgeführt wurde, zeigt jedoch, dass es keine universelle Lösung für die Wiederherstellung von Ökosystemen gibt. Selbst Ökosysteme, die auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, können sehr unterschiedlich auf die gleichen Wiederherstellungsansätze reagieren. Diese Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Ecography“ veröffentlicht.
Im Jahr 2019 schlossen sich Wissenschaftler aus verschiedenen Teilen der Welt zusammen, um herauszufinden, wie mediterrane, trockene Landschaften am effektivsten wiederhergestellt werden können. Diese Regionen, die sich durch feuchte Winter und trockene Sommer auszeichnen, umfassen Gebiete wie das Mittelmeer, Kalifornien, Chile, Südafrika und Australien. Angesichts des hohen Umweltstresses, dem diese Gebiete ausgesetzt sind, besteht ein dringender Bedarf an fundierten Wiederherstellungsmaßnahmen. Das Forschungsteam verfolgte das Ziel, herauszufinden, welche Kombinationen von einheimischen Pflanzen am geeignetsten sind, um die natürlichen Funktionen dieser Landschaften wiederherzustellen.
Um die vielfältigen und komplexen Ökosysteme besser zu verstehen, entwickelten die Forscher ein Computermodell, das es ihnen ermöglichte, verschiedene Pflanzenmischungen unter unterschiedlichen Boden- und Klimabedingungen zu simulieren und deren Verhalten zu analysieren. Diese Modellierung erwies sich als äußerst effektiv, da sie mit den tatsächlichen Ergebnissen eines großen Wiederherstellungsprojekts im Südwesten Australiens übereinstimmte. Ein zentrales Ergebnis der Studie war die Entdeckung, dass es oft schwierig ist, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen, wie zum Beispiel die Speicherung von Kohlenstoff, die Einsparung von Wasser und die Bindung von Stickstoff. In vielen Fällen sind Kompromisse erforderlich, und die besten Ansätze hängen stark von den spezifischen lokalen Bedingungen ab.
Dr. Sebastian Fiedler, Postdoktorand an der Technischen Universität Berlin und einer der Hauptverantwortlichen für die Studie, erklärt dazu: „Die positive Erkenntnis aus unserer Forschung ist, dass unser Modell uns dabei unterstützen kann, die geeignetsten Pflanzen für bestimmte Gebiete auszuwählen, je nachdem, welche Ziele wir verfolgen.“ Dennoch betont er, dass die Arbeit nicht abgeschlossen ist. Momentan berücksichtigt das Modell noch nicht Faktoren wie zunehmende Waldbrände, die in vielen Regionen immer häufiger auftreten und die Dynamik der Ökosysteme erheblich beeinflussen könnten. Dies stellt einen bedeutenden nächsten Schritt in der Forschung dar.
Die Ergebnisse dieser Studie sind besonders relevant, da sie auf die Notwendigkeit hinweisen, maßgeschneiderte Lösungen für die Wiederherstellung von Ökosystemen zu entwickeln. Einseitige Ansätze oder standardisierte Methoden könnten nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Stattdessen ist ein tiefgehendes Verständnis der spezifischen ökologischen Bedingungen und der jeweiligen Herausforderungen in den einzelnen Regionen erforderlich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wiederherstellung von Ökosystemen eine komplexe und vielschichtige Herausforderung darstellt, die individuelle und kontextabhängige Lösungen erfordert. Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass in der Ökologie keine „Einheitslösung“ existiert und dass die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten und Bedürfnisse entscheidend für den Erfolg von Wiederherstellungsprojekten ist. Künftige Forschungen sollten daher nicht nur die Auswahl der Pflanzenarten fokussieren, sondern auch die Auswirkungen anderer ökologischer Faktoren und Bedrohungen wie Klimawandel und invasive Arten in Betracht ziehen.
Für weitere Informationen und wissenschaftliche Anfragen steht Dr. Sebastian Fiedler von der Georg-August-Universität Göttingen gerne zur Verfügung.