
In der heutigen Zeit sehen sich Unternehmen aus verschiedenen Branchen mit Herausforderungen konfrontiert, die eine dringliche Notwendigkeit zur Materialsubstitution mit sich bringen. Gründe wie Preissteigerungen, mangelnde Verfügbarkeit von Rohstoffen, umweltpolitische Vorgaben oder auch ethische Fragestellungen zwingen sie dazu, Alternativen zu herkömmlichen Materialien zu suchen. Ein innovatives Forschungsprojekt am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) hat nun ein KI-gestütztes Werkzeug entwickelt, das Unternehmen bei dieser Suche unterstützen soll.
Ein besonders kritischer Rohstoff ist Kobalt, das in Lithium-Ionen-Batterien verwendet wird, insbesondere in Elektrofahrzeugen. Die zentrale Rolle von Kobalt im Kontext der Energiewende ist unbestritten, jedoch ist das Metall in der Erdkruste extrem rar – sein Anteil beträgt lediglich 0,004 Prozent. Die globalen Kobaltreserven sind auf etwa 7,2 Millionen Tonnen geschätzt, wobei über die Hälfte dieser Bestände in der Demokratischen Republik Kongo lagert. In diesem Land sind die Arbeitsbedingungen in den Bergwerken häufig katastrophal, und die ökologischen Auswirkungen des Abbaus sind erheblich. Vor diesem Hintergrund wird die Suche nach Alternativen zu Kobalt umso dringlicher.
Das Forschungsteam am Fraunhofer IPA, unter der Leitung von Charlotte Schmidt, hat erkannt, dass bestehende Datenbanken für Produktentwickler oft nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Diese Datenbanken berücksichtigen häufig nicht die spezifischen Anforderungen und Anwendungsfälle der Unternehmen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde ein KI-gestütztes Tool zur Materialsubstitution entwickelt. Dieses Tool ermöglicht es Nutzern, detaillierte Informationen über den Rohstoff, den sie ersetzen möchten, sowie die erforderlichen Eigenschaften des alternativen Materials einzugeben. Anschließend durchforstet die KI die Datenbank „Semantic Scholar“ nach relevanten wissenschaftlichen Publikationen und identifiziert geeignete Alternativen.
Das KI-gestützte Tool ist Teil eines umfassenderen Ansatzes, der Unternehmen nicht nur dabei hilft, alternative Materialien zu finden, sondern auch diese im Kontext von rechtlichen, ökologischen und sozialen Aspekten zu bewerten. Nach der Identifikation möglicher Substitute erfolgt eine detaillierte Analyse, bei der die Wissenschaftler die vorgeschlagenen Materialien zusammen mit den Ausgangsmaterialien hinsichtlich ihrer Eignung überprüfen. In einem engen Austausch mit den Unternehmen wird dann ermittelt, wie gut die Alternativen den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Anwendungsfalls gerecht werden.
Der gesamte Prozess endet mit einem umfassenden Bericht, der die besten Alternativen und die jeweiligen Bewertungen der verschiedenen Kriterien zusammenfasst. Diese Informationen bieten den Unternehmen eine solide Entscheidungsgrundlage für den Einsatz neuer Materialien. Erste Tests des KI-Tools haben gezeigt, dass die Technologie vielversprechende Ergebnisse liefert. So schlägt das Tool unter anderem Eisen als mögliche Alternative zu Kobalt vor. Während die Verwendung von Lithium-Eisenphosphat anstelle von Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid nicht neu ist, hat die KI-Analyse dennoch bestätigt, dass es eine wertvolle Unterstützung bei der Materialwahl bieten kann.
Das KI-unterstützte Materialsubstitutionstool ist Teil des Forschungsprojekts „Ultraeffizienzfabrik – Deep Dive“, das im April 2024 gestartet wurde und bis Ende August 2025 läuft. Das Projekt wird mit 1,4 Millionen Euro vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert. Neben dem Fraunhofer IPA sind auch weitere Partner wie das Fraunhofer IAO sowie Unternehmen unterschiedlichster Branchen in das Projekt eingebunden.
Die Entwicklung dieser KI-gestützten Lösung stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Materialforschung dar. Sie ermöglicht es Unternehmen nicht nur, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, sondern unterstützt auch die Zielsetzungen der Energiewende und des Umweltschutzes. Durch den Einsatz moderner Technologien wird die Suche nach alternativen Materialien revolutioniert, was zu einer effektiveren und verantwortungsvolleren Ressourcenverwendung führt. Das Fraunhofer IPA und sein Forschungsteam setzen damit einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft.