
Eine aktuelle Untersuchung unter der Leitung der Leibniz Universität Hannover hat gezeigt, dass Austernriffe und Miesmuschelbänke eine entscheidende Rolle beim Sedimentaufwuchs im Wattenmeer spielen könnten. Angesichts des globalen Anstiegs des Meeresspiegels, der laut den Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 80 Zentimeter oder mehr zunehmen könnte, ist der Schutz dieser einzigartigen Küstenökosysteme von großer Bedeutung.
Die steigenden Temperaturen in den Weltmeeren haben in den letzten Jahrzehnten zur Invasion der nicht einheimischen Pazifischen Auster geführt, die die heimische Miesmuschel in ihrer Rolle als dominante Art verdrängt. Diese Veränderung hat zur Bildung von rauen Austernriffen geführt, die nicht nur den Lebensraum für verschiedene marine Arten transformieren, sondern auch die Struktur des Ökosystems beeinflussen. Die Austernriffe breiten sich in einem besorgniserregenden Tempo aus und verändern das Wellen- und Strömungsverhalten im Wattenmeer. Diese Veränderungen könnten jedoch auch dazu beitragen, dass die Wattflächen unter dem Anstieg des Meeresspiegels nicht überflutet werden.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde, ist die erste, die die Auswirkungen von Austernriffen und Miesmuschelbänken auf den Sedimentaufwuchs im Wattenmeer umfassend untersucht. Das Forschungsprojekt mit dem Namen BIVA-WATT befasst sich mit der Bedeutung dieser biogenen Strukturen im deutschen Wattenmeer. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten großflächige Messungen zur Sedimentation in und um diese Strukturen durch und werteten die gesammelten Daten aus. An dem Projekt waren nicht nur die Leibniz Universität Hannover, sondern auch die Technische Universität Braunschweig und Senckenberg am Meer beteiligt.
Die Ergebnisse der Studie sind vielversprechend. An drei verschiedenen Standorten wurden zwei Austernriffe und eine Miesmuschelbank über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Die Forscher fanden heraus, dass die Austernriffe und Miesmuschelbänke den vertikalen Sedimentaufwuchs fördern, mit einer jährlichen Rate von bis zu 3,9 Zentimetern. Im Vergleich dazu beträgt das durchschnittliche Wachstum der Wattflächen nur etwa 0,9 Zentimeter pro Jahr, während der Meeresspiegel gegenwärtig um etwa 0,4 bis 0,7 Zentimeter ansteigt. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Sedimentakkumulation durch die biogenen Strukturen eine wichtige Rolle dabei spielt, dass die Wattflächen mit dem steigenden Meeresspiegel mithalten können.
Die Studie hebt die Dringlichkeit hervor, die Wechselwirkungen zwischen biologischen und geomorphologischen Prozessen besser zu verstehen. Prof. Dr.-Ing. Torsten Schlurmann, der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts, betont, dass interdisziplinäre Ansätze in der Küstenforschung notwendig sind, um die komplexen Zusammenhänge zu entschlüsseln. Die Erkenntnisse aus dieser Studie könnten nicht nur zum Schutz der Küstenlinien beitragen, sondern auch die Existenz des gesamten Ökosystems Wattenmeer sichern.
Die Daten, die für die Analyse verwendet wurden, stammen aus dem BIVA-WATT-Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit über 800.000 Euro gefördert wurde. Die Ergebnisse dieser Forschung sind nicht nur von akademischem Interesse, sondern haben auch praktische Implikationen für den Küstenschutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der marinen Umwelt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Austernriffe und Miesmuschelbänke im Wattenmeer eine wichtige Rolle beim Sedimentaufwuchs spielen und somit dazu beitragen, die Küstenregionen vor dem Anstieg des Meeresspiegels zu schützen. Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt zur Erhaltung des Wattenmeers und seiner einzigartigen Biodiversität in Zeiten des Klimawandels.