ESMT Berlin untersucht die Wahrnehmung von Bürgern über wissenschaftliche Forschungsprojekte**

ESMT Berlin untersucht die Wahrnehmung von Bürgern über wissenschaftliche Forschungsprojekte**

Eine aktuelle Studie der ESMT Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Politecnico di Milano, hat interessante Einblicke in die Art und Weise gegeben, wie Bürger wissenschaftliche Forschungsprojekte bewerten. Diese Forschung, die in der Fachzeitschrift Research Policy veröffentlicht wurde, beleuchtet nicht nur die Kriterien, die bei der Bewertung von Forschungsanträgen eine Rolle spielen, sondern auch die Auswirkungen dieser Bewertungen auf die öffentliche Beteiligung an der Wissenschaftsfinanzierung.

Die Untersuchung umfasste die Bewertungen von mehr als 2.300 Bürgern zu vier realen Forschungsprojekten, die sich mit verschiedenen Themen wie der Entwicklung von COVID-19-Medikamenten, Alzheimer-Forschung, Konflikten zwischen Menschen und Fischottern in Florida sowie den wirtschaftlichen Präferenzen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen befassten. Die Teilnehmer wurden gebeten, die Projekte anhand dreier zentraler Kriterien zu bewerten: der wissenschaftlichen Qualität, dem gesellschaftlichen Nutzen und der Qualifikation des Forschungsteams.

Die Ergebnisse zeigen, dass Bürger sowohl die gesellschaftliche Relevanz als auch die wissenschaftliche Qualität der Projekte nahezu gleichwertig einschätzen. Die Qualifikation des Forschungsteams wird zwar ebenfalls berücksichtigt, spielt jedoch eine weniger bedeutende Rolle. Henry Sauermann, Professor für Strategie an der ESMT Berlin, merkt an, dass die Ergebnisse das gängige Bild widerlegen, wonach Laien nur an „Wohlfühl-Themen“ interessiert sind. Vielmehr zeigen die Daten, dass Bürger ein starkes Interesse an der wissenschaftlichen Substanz der Projekte haben und die Seriosität und Qualifikation der Forschenden schätzen, wobei der gesellschaftliche Nutzen eine besonders hohe Priorität genießt.

Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist der Einfluss des Bewertungsverfahrens auf die Zusammensetzung der beteiligten Bürger. Während das Crowdfunding tendenziell einkommensstarken und höher gebildeten Personen eine Stimme gab, ermöglichte der Empfehlungsmechanismus eine breitere und inklusivere Teilnahme. Dies verdeutlicht, wie stark die Finanzierungsmodelle die Stimmen und Perspektiven beeinflussen können, die in den Entscheidungsprozess einfließen. Zudem wurde festgestellt, dass persönliche Betroffenheit eine Rolle spielt: Personen, die eine direkte Verbindung zu einem Thema hatten, bewerteten die Projekte tendenziell positiver und waren eher bereit, sie finanziell zu unterstützen. Dies deutet darauf hin, dass persönliche Interessen und individuelle Erfahrungen die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen können.

Chiara Franzoni, Professorin am Politecnico di Milano, warnt jedoch vor den möglichen Verzerrungen, die mit der öffentlichen Beteiligung an wissenschaftlichen Entscheidungen einhergehen können. Sie betont die Notwendigkeit, Bewertungsverfahren sorgfältig zu gestalten, um sicherzustellen, dass die Einbeziehung der Bürger sinnvoll und verantwortungsvoll erfolgt. Das Forschungsteam hebt hervor, dass die Bewertungspräferenzen der Bürger je nach Thema unterschiedlich sind und dass individuelle Schwerpunkte gesetzt werden. Diese Variabilität stellt eine Herausforderung für das Management öffentlicher Wissenschaftsbeteiligung dar, da die Ergebnisse oft schwer vorhersehbar sind.

Anstatt eine klare Trennung zwischen Expertenmeinungen und öffentlicher Beteiligung zu ziehen, plädiert das Forschungsteam für hybride Systeme. Diese Systeme könnten das Fachwissen von Experten mit den Perspektiven der Bürger verbinden, um gesellschaftliche Anliegen und Prioritäten besser widerzuspiegeln. In Anbetracht der wachsenden Diskussion über die Bedeutung der Bürgerbeteiligung rufen die Forscher zu einer sorgfältigen Gestaltung von Beteiligungsprozessen auf. Sauermann betont, dass die öffentliche Beteiligung mehr sei als nur ein Schlagwort; sie erfordere Struktur, Reflexion und Evaluation.

Insgesamt zeigt die Studie, dass die Wahrnehmung und Bewertung von wissenschaftlichen Projekten durch Bürger komplex und vielfältig ist. Die Ergebnisse liefern wertvolle Hinweise für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen in der Wissenschaft und unterstreichen die Bedeutung einer ausgewogenen Berücksichtigung von Expertenwissen und Bürgerperspektiven.