
Die Bewegung von Tieren innerhalb ihrer Lebensräume ist ein spannendes Forschungsfeld, das viele Ökologen beschäftigt. Insbesondere Bewegungsökologen untersuchen, inwieweit Tiere in einem Ökosystem durch ihre Interaktionen mit Artgenossen oder anderen Arten beeinflusst werden. Häufig wird angenommen, dass Tiere, die sich gemeinsam in einer Umgebung bewegen, auch direkt miteinander interagieren. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn ein Raubtier seine Beute verfolgt oder soziale Tiere einander in Gruppen folgen. Eine neuere Studie legt jedoch nahe, dass solche Annahmen nicht immer zutreffen.
Forschende vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), der Technischen Universität Berlin und der Universität Potsdam haben in ihrer Arbeit, die in der Fachzeitschrift „Movement Ecology“ veröffentlicht wurde, herausgefunden, dass Tiere möglicherweise unabhängig voneinander auf dieselbe physische Umgebung reagieren, ohne dabei tatsächlich miteinander zu interagieren. Durch den Einsatz von Computersimulationen untersuchte das Team, wie sich Tiere in verschiedenen modellierten Landschaften bewegen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.
Die Studie wurde von einem Team unter der Leitung von Thibault Fronville, Viktoriia Radchuk und Stephanie Kramer-Schadt durchgeführt. Sie zeigt auf, dass es entscheidend ist, die physische Umgebung bei der Analyse der Bewegungsmuster von Tieren zu berücksichtigen. Die Forscher testeten drei gängige statistische Methoden, die in der Bewegungsökologie verwendet werden, um Interaktionen zwischen sich bewegenden Tieren zu identifizieren. Dabei verwendeten sie simulierte Bewegungsabläufe in unterschiedlichen Umgebungen. Es stellte sich heraus, dass in einigen Szenarien die Bewegung der Tiere allein durch die Eigenschaften der Umgebung beeinflusst wurde, während in anderen Szenarien Interaktionen zwischen Individuen eine Rolle spielten.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass häufig falsche Schlussfolgerungen über die Interaktionen zwischen Tieren gezogen werden, wenn der Kontext der Landschaft ignoriert wird. „In vielen Studien wird die gemeinsame Bewegung als Anzeichen für direkte Interaktion zwischen Tieren interpretiert, wie etwa bei der Jagd eines Raubtiers“, erklärt Fronville. „Wenn jedoch die physische Beschaffenheit der Landschaft die Tiere dazu bringt, ähnliche Routen zu wählen, kann dies zu Fehldeutungen führen.“ Die Untersuchungen der Forscher zeigen, dass die Vernachlässigung der landschaftlichen Gegebenheiten zu einer fehlerhaften Interpretation von Bewegung und Interaktion führt.
Die Einbeziehung der physikalischen Umgebung oder der Einsatz statistischer Methoden, die andere Störfaktoren berücksichtigen, trägt entscheidend dazu bei, zwischen echten Interaktionen und zufälligen Bewegungsübereinstimmungen zu unterscheiden. „Das Verständnis, wie Tiere mit ihrer Umgebung interagieren, ist für den Naturschutz und den Erhalt von Arten von großer Bedeutung, insbesondere in fragmentierten oder menschlich veränderten Landschaften“, betont Radchuk.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen das Risiko, das mit der Ignorierung der physikalischen Gegebenheiten in der Bewegungsökologie verbunden ist. Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse dazu führen, dass zukünftige Studien die landschaftlichen Merkmale stärker gewichten, um die Bewegungsmuster von Tieren besser zu verstehen. Dadurch könnten nicht nur die Ursachen für Tierbewegungen präziser erfasst werden, sondern es könnten auch effektivere Schutzstrategien für Tiergemeinschaften und ihre Lebensräume entwickelt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschung zu den Bewegungen von Tieren weitreichende Implikationen für den Naturschutz hat. Indem Ökologen die Komplexität der Landschaft und deren Einfluss auf das Verhalten der Tiere besser berücksichtigen, können sie wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die zur Erhaltung von Biodiversität und zur Gestaltung von Schutzmaßnahmen beitragen können.