
In Anbetracht der immer drängenderen ökologischen Herausforderungen hat eine neue Studie in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ innovative Ansätze zur Messung des menschlichen Fortschritts vorgestellt. Anstatt sich auf die Defizite im Umweltschutz zu konzentrieren, legt die Studie den Fokus auf die Frage, wie Mensch und Natur gemeinsam prosperieren können. Der Hauptautor dieser wegweisenden Untersuchung, Prof. Dr. Erle C. Ellis von der Universität Maryland, Baltimore County, ist derzeit Stipendiat am Panel on Planetary Thinking der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU).
Die Publikation mit dem Titel „An Aspirational Approach to Planetary Futures“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und umfasst die Beiträge zahlreicher angesehener Wissenschaftler aus Institutionen wie den Universitäten Oxford und Cambridge sowie weiteren Partnern aus Schweden, Südafrika und Kenia. Ein zentrales Anliegen der Studie ist die Einführung eines neuen Messinstruments, dem sogenannten „Nature Relationship Index“ (NRI), der in Ergänzung zum etablierten Human Development Index (HDI) fungieren soll.
Der NRI hat das Ziel, die Pflege der Ökosysteme, den Zugang zur Natur für alle Menschen und den Grad des Naturschutzes zu erfassen. Anstatt lediglich Verluste zu dokumentieren, soll der NRI positive Fortschritte abbilden und konkrete Ziele definieren, die Investitionen in gemeinsame Lebensräume, saubere Luft und Wasser sowie die Renaturierung von Landschaften anregen. Prof. Ellis betont in diesem Kontext, dass es an der Zeit sei, den Begriff des Fortschritts neu zu definieren: „Die üblichen Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt oder der HDI spiegeln nicht wider, wie Gesellschaften mit dem Rest des Lebens auf unserem Planeten interagieren. Ohne diesen Perspektivwechsel wird der Verlust von Biodiversität und natürlichen Ressourcen unvermindert fortschreiten und erhebliche Folgen für alle haben.“
Diese Studie verfolgt nicht den Ansatz einer klassischen Umweltbotschaft, die sich auf Katastrophen und Krisen konzentriert. Stattdessen plädiert sie für einen positiven Perspektivwechsel: Der Fokus sollte auf der Fähigkeit der menschlichen Gesellschaften liegen, positive Zukünfte für das gesamte Leben auf der Erde zu gestalten. Prof. Frederic Hanusch, Professor für planetaren Wandel und Politik an der JLU, hebt hervor, dass die Konzepte der menschlichen Entwicklung – wie längeres Leben, Bildung und Lebensqualität – zwar bedeutend sind, jedoch angesichts der tiefgreifenden Eingriffe in das Erdsystem ein Umdenken notwendig ist. Der NRI soll dazu beitragen, förderliche Beziehungen zwischen den Gesellschaften und unserem Planeten zu schaffen.
Erle Ellis’ Forschung leistet wertvolle Beiträge im Rahmen des „Planetary Scholars & Artists in Residence Fellowship Program“, das von 2022 bis 2025 läuft. Die erste Veröffentlichung des NRI ist für den Human Development Report 2026 geplant, mit dem Ziel, regelmäßig Länderbewertungen durchzuführen, ähnlich dem HDI. „Wir streben einen Übergang von einem reaktiven Umgang mit Umweltkrisen hin zu einer proaktiven Gestaltung einer Zukunft an, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen können“, erklärt Ellis und fügt hinzu, dass die Studie nicht auf angstgetriebenen Warnungen basiert, sondern eine Einladung darstellt, die Beziehung zur Erde neu zu denken.
Im Mittelpunkt dieser neuen Denkweise steht die Vorstellung, dass der Mensch nicht als ausbeutender Konsument, sondern als aktiver Mitgestalter der Natur betrachtet werden sollte. Die Ergebnisse dieser Studie könnten nicht nur das Verständnis für den menschlichen Fortschritt revolutionieren, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit und Innovation weltweit inspirieren. Das Ziel ist es, eine positive Vision für die Zukunft zu entwickeln, in der Mensch und Natur in einem harmonischen Gleichgewicht miteinander leben können.
Insgesamt zeigt die Veröffentlichung, dass es möglich ist, einen Weg zu finden, der sowohl menschliche Bedürfnisse als auch die Erhaltung der natürlichen Umwelt berücksichtigt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ansatz in der globalen Diskussion um nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz breite Beachtung findet und zu konkreten Maßnahmen führt, die den Planeten und seine Bewohner langfristig schützen.