
Eine aktuelle Untersuchung des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes sowie dem ibi research Institut der Universität Regensburg, beleuchtet die wachsende Bedeutung des Re-Commerce in Deutschland. Diese Studie mit dem Titel „Relevanz und Perspektiven des Re-Commerce für den deutschen Handel“ zeigt auf, dass immer mehr Verbraucher bereit sind, gebrauchte Waren online zu kaufen. Dies markiert einen entscheidenden Schritt in Richtung einer Kreislaufwirtschaft, die dem Trend der Wegwerfgesellschaft entgegenwirkt.
Die Studie verdeutlicht, dass Re-Commerce in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Viele Menschen nutzen mittlerweile regelmäßig Online-Plattformen, um gebrauchte oder wiederaufbereitete Produkte zu erwerben. Die Beweggründe für diese Kaufentscheidungen sind vielfältig. Laut Bastian Popp, Professor für Handelsmanagement, eröffnet das Re-Commerce-Modell sowohl für Verbraucher als auch für Anbieter neue Möglichkeiten. Verbraucher profitieren von erschwinglichen Preisen und einer größeren Auswahl, während Händler die Möglichkeit haben, ihre Kundenbindung zu stärken und gleichzeitig lokale Beschaffungswege zu fördern, insbesondere in Zeiten globaler Lieferengpässe.
Im Jahr 2024 erreichte der Re-Commerce-Markt in Deutschland einen Gesamtumsatz von 9,9 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Auf europäischer Ebene wird das Marktvolumen des Re-Commerce-Sektors für das Geschäftsjahr 2022/2023 auf 94 Milliarden Euro geschätzt, mit einer Prognose von 120 Milliarden Euro für das laufende Jahr. Die Umfrage unter 1.903 Konsumenten ergab, dass 55 Prozent der Befragten im letzten Jahr gebrauchte Produkte online erworben haben, während 52 Prozent selbst gebrauchte Waren verkauft haben – meist in den Kategorien Mode, Bücher und Elektronik.
Die Hauptmotivation für den Kauf gebrauchter Artikel liegt in der ökologischen Nachhaltigkeit, die von 71,5 Prozent der Befragten angegeben wurde. Günstigere Preise und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis sind ebenfalls entscheidende Faktoren, die 71,2 Prozent beziehungsweise 66,0 Prozent der Teilnehmer anführten. Über die Hälfte der Befragten (54,5 Prozent) gibt an, dass sie sich durch den Kauf gebrauchter Produkte mehr leisten können. Die Mehrheit der Konsumenten verwendet die eingesparten Mittel für alltägliche Ausgaben, während ein erheblicher Teil weiterhin in gebrauchte Waren investiert oder Geld spart.
Auf die Frage, ob sie in den nächsten zwölf Monaten erneut gebrauchte Produkte online kaufen würden, beantworteten 76,6 Prozent dies mit „hoch“. Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass 53 Prozent der Befragten planen, zukünftig mehr gebrauchte Produkte zu erwerben. Dennoch zeigt sich, dass die Rolle der Nachhaltigkeit als Kaufanreiz abnimmt. Für viele Konsumenten sind Preis-Leistungs-Verhältnis und das Erlebnis des Kaufens zunehmend wichtiger als ökologische Überlegungen.
Die positiven Auswirkungen des Re-Commerce auf die Umwelt sind nicht zu unterschätzen. Der Kauf gebrauchter Produkte trägt signifikant zur Verringerung des CO2-Ausstoßes bei, da die Herstellung neuer Produkte in der Regel einen höheren Energieaufwand erfordert. Im Vergleich zu Neuwaren können durch den Kauf von Second-Hand-Produkten Einsparungen von 60 bis 80 Prozent der CO2-Äquivalente pro Artikel erzielt werden.
Trotz der wachsenden Akzeptanz von Re-Commerce stehen Unternehmen und Händler vor Herausforderungen. Unklare rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere bezüglich Gewährleistungs- und Rückgaberechten, sowie steuerliche Hürden behindern die Entwicklung dieses Marktes. Daniela Bleimaier, Leiterin Public Affairs beim bevh, fordert eine gezielte politische Unterstützung für den Re-Commerce, um dessen Potenziale besser zu nutzen. Dazu gehören klare Regelungen, die das Vertrauen der Verbraucher stärken, wie einheitliche Gütesiegel und transparente Informationen über die Herkunft und Aufbereitung der Produkte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Re-Commerce ein vielversprechendes Geschäftsmodell darstellt, das sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Chancen bietet. Die Studie verdeutlicht, dass der Online-Handel mit gebrauchten Gütern nicht nur im Trend liegt, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten kann. Um diesen positiven Trend weiter zu fördern, sind jedoch klare politische Rahmenbedingungen und ein verstärktes Vertrauen der Verbraucher in den Re-Commerce notwendig.