
Die Energiewende stellt eine der größten Herausforderungen der modernen Gesellschaft dar, und es ist entscheidend, sie auf sozial gerechte Weise zu gestalten. Ein innovativer Ansatz hierzu wird von Forschern der Empa, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, vorgestellt: die „solare Grundversorgung“. Dieses Konzept zielt darauf ab, die Energieautonomie zu fördern, soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten und Investitionen in erneuerbare Energien zu intensivieren. Um die Vision zu realisieren, wäre es notwendig, ein Drittel aller Dächer in der Schweiz mit Solarpanels auszustatten und in regelmäßigen Abständen eine umfassende Investition zu tätigen, die im Durchschnitt dem monatlichen Bruttolohn eines Schweizer Bürgers entspricht.
Technologisch stehen bereits viele Lösungen zur Verfügung, um erneuerbare Energien zu produzieren und zu speichern. Die Herausforderung liegt jedoch in der praktischen Umsetzung. Dabei müssen die unterschiedlichen Interessen von Wirtschaft, Politik und Bevölkerung zusammengebracht werden. Die Forscher Harald Desing, Hauke Schlesier und Marcel Gauch haben ein Modell entwickelt, das als Leitfaden für eine schnelle, nachhaltige und sozial gerechte Energiewende dienen kann. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Progress in Energy“ veröffentlicht.
Das Modell der solaren Grundversorgung sieht vor, dass jeder Bürger ein persönliches Solarstrom-Budget von 500 Watt erhält, was jährlichen 4400 Kilowattstunden entspricht. Dieses Budget wird durch öffentliche Mittel finanziert. Desing erklärt, dass viele grundlegende Dienstleistungen wie Bildung, Wasser- und Abwasserversorgung bereits als Grundversorgung angeboten werden, und es ist an der Zeit, dies auch für die Energieversorgung zu tun. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Staat nicht den gesamten Energiebedarf kostenlos deckt. Die bereitgestellten 500 Watt sind ausreichend, um die durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen entstehenden Lücken zu schließen. Ein entscheidender Aspekt des Modells ist, dass es keine öffentlichen Stromspeicher gibt. Der Zugang zu kostenlosem Strom ist also nur dann gegeben, wenn die Sonne scheint. Diese Einschränkung soll Nutzer anregen, ihren Stromverbrauch entsprechend zu steuern und ihn in sonnenreichen Zeiten zu nutzen.
Das Konzept fördert auch den sozialen Ausgleich: Bürger, die weniger Energie verbrauchen, haben die Möglichkeit, ihre überschüssige Energie zu verkaufen. Diese Energie könnte als Zahlungsmittel für öffentliche Verkehrsmittel oder Elektromobilität verwendet werden, was vor allem Menschen zugutekommt, die wenig Energie verbrauchen. Das bestehende System der staatlichen Subventionen begünstigt häufig nur wohlhabende Haushalte, während das Modell der solaren Grundversorgung auch denjenigen ohne Eigenheim oder Kapital zugutekommt.
Die praktische Umsetzung in der Schweiz zeigt, dass für die Bereitstellung von 500 Watt Solarstrom pro Person etwa 21 Quadratmeter Solarfläche pro Bürger benötigt werden. Dies würde bedeuten, dass ca. ein Drittel aller Dächer in der Schweiz für die Installation von Solarpanels genutzt werden müssten. Auch ungenutzte Flächen wie Parkplätze oder Lärmschutzwände könnten sinnvoll einbezogen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, bereits bebaute Flächen zu verwenden und keine neuen Böden umzugestalten, was den Flächenverbrauch minimiert.
Die Umstellung auf ein öffentliches Solarnetz würde eine Investition von etwa 58 Milliarden Franken in fünf Jahren erfordern, was rund ein Prozent des Bruttoinlandprodukts entspricht. Diese Summe ist vergleichbar mit den jährlichen Ausgaben für den Straßenbau oder dem doppelten Betrag der Militärausgaben. Die Investition könnte sich innerhalb von sechs bis sieben Jahren amortisieren, da die Einsparungen bei den Ausgaben für fossile Brennstoffe erheblich wären.
Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass der Aufbau eines solchen Systems nicht ohne Herausforderungen ist. Insbesondere der Bedarf an Fachkräften zur Installation der Solaranlagen ist hoch. Es werden rund 50.000 Fachkräfte benötigt, wobei nur ein Teil eine formelle Ausbildung benötigt. Solarcamps, in denen Interessierte schnell lernen können, wie man Solarpanels installiert, sind bereits jetzt verfügbar. Desing schlägt vor, dass junge Menschen im Rahmen eines „Solarjahres“ in diesen Bereichen arbeiten könnten.
Eine weitere Herausforderung sind die Materialien für die Solarzellen. Hauptbestandteil ist Silizium, das in der Erdkruste häufig vorkommt. Der Bedarf an Silber, Zinn und Aluminium kann durch verbesserte Konstruktionsmethoden reduziert werden. Die Forschung an alternativen Materialien für Silber ist ebenfalls in vollem Gange. Es ist jedoch beruhigend zu wissen, dass weltweit mehr Silber