
Deutschland steht vor einer alarmierenden Herausforderung in Bezug auf extreme Hitzewellen, wie aktuelle Analysen der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) aufzeigen. Experten warnen, dass ohne adäquate Vorsorgemaßnahmen in heißen Sommermonaten zehntausende von Todesfällen innerhalb weniger Tage eintreten können. DGG-Präsident Professor Markus Gosch betont, dass diese vermeidbaren Tragödien eintreten könnten, falls keine effektiven Strategien zur Hitzebewältigung entwickelt werden.
Die Untersuchung unter der Leitung von Professor Clemens Becker, der die „Unit Digitale Geriatrie“ am Universitätsklinikum Heidelberg leitet, zeigt gravierende Mängel in der deutschen Hitzevorsorge auf. Während Länder, die bereits katastrophale Hitzewellen erlebt haben, wie einige Südeuropäische Staaten, auf entsprechende Maßnahmen zurückgreifen konnten, fehlt es Deutschland an grundlegenden Vorbereitungen. Becker hebt hervor, dass die Datenanalyse deutlich zeigt, dass ältere Menschen besonders stark von hitzebedingten Todesfällen betroffen sind. Physiologische Risikofaktoren bei älteren Menschen, wie eine eingeschränkte Temperaturregulation, ein vermindertes Durstempfinden und häufige Vorerkrankungen, erhöhen die Gefahr, dass sie unter extremer Hitze leiden.
Insbesondere gefährdet sind darüber hinaus auch Personen mit chronischen Erkrankungen, Schwangere sowie Kinder. Menschen, die im Freien arbeiten, etwa auf Baustellen oder in der Landwirtschaft, sowie Obdachlose sind ebenfalls besonders anfällig für die Gefahren extremer Hitze. Ein zentrales Problem besteht darin, dass extreme Hitzewellen in Deutschland rechtlich nicht als Katastrophen anerkannt werden. Dies führt dazu, dass viele Maßnahmen nur freiwillig sind und keine verbindlichen Regelungen bestehen. Es mangelt zudem an klaren Verantwortlichkeiten und konkreten Notfallplänen, beispielsweise für Evakuierungen oder Beschäftigungsverbote im Freien während extremer Hitzeperioden.
Die DGG fordert daher dringende Reformen in der Hitzevorsorge. Aktionspläne sollten überarbeitet und Krisenstäbe eingerichtet werden, um auf extreme Hitzewellen schnell reagieren zu können. In Ballungsräumen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet müssen Notaufnahmen in Krankenhäusern auf die Behandlung zahlreicher Hitzeschlag-Patienten vorbereitet werden. Gosch fordert zudem, dass Altersmediziner in alle Schritte der medizinischen Versorgung einbezogen werden, um den spezifischen Bedürfnissen älterer Menschen gerecht zu werden.
Die DGG fordert eine proaktive Herangehensweise an die Hitzevorsorge anstelle einer reaktiven Krisenreaktion. Dazu gehört die offizielle Klassifizierung extremer Hitzewellen als Naturkatastrophen, die Überarbeitung bestehender Hitzeaktionspläne und die Integration extremer Szenarien. Krisenstäbe müssen eingerichtet werden, um im Ernstfall schnell handeln zu können. Zudem sollte ein Datenabgleich zwischen Kranken- und Pflegekassen erfolgen, um besonders gefährdete Personen gezielt zu schützen.
Die Experten schlagen vor, mobile Einsatzteams für gefährdete Personen zu etablieren und gekühlte Räume in Stadtteilen zu kennzeichnen. Auch die Möglichkeit von Urlaubssperren für Beschäftigte im Gesundheitswesen während extremer Hitzewellen sollte in Betracht gezogen werden. Eine weitere Maßnahme könnte die Aktivierung geschulter Laieneinsatzhelfer der Hilfsorganisationen sein, um in Notfällen schnell Unterstützung leisten zu können.
Das Phänomen eines Hitzedoms, bei dem eine starke Hochdruckzone die Hitze über einem Gebiet festhält, führt häufig zu extremen Temperaturen über 40 Grad Celsius. In den letzten Jahren haben viele Regionen, darunter Arizona, Indien und Australien, solche Hitzewellen erlebt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Hitzewelle in Vancouver 2021, bei der Temperaturen von bis zu 49 Grad Celsius gemessen wurden, was zu einem Anstieg der Todesfälle führte. In Deutschland gab es im Sommer 2003 eine Hitzewelle, die schätzungsweise 7.600 hitzebedingte Todesfälle zur Folge hatte.
Die Einschätzung der Bevölkerung zum Klimawandel ist besorgniserregend: Weniger als 20 Prozent der Deutschen betrachten ihn als vorrangiges Problem, was sich auch in den politischen Maßnahmen widerspiegelt. Nur in einem Bruchteil der Kommunen existieren Hitzeaktionspläne, die zudem kaum auf extreme Hitzewellen ausgerichtet sind. Professor Becker warnt, dass die Mehrheit der Regionen in Deutschland auf Extremhitze nicht vorbereitet ist und dass dies in Zukunft zu einer hohen Zahl an