
In einer Welt, die von ständigem Stress und Hektik geprägt ist, gewinnt die Suche nach effektiven Methoden zur Stressbewältigung zunehmend an Bedeutung. Eine neue Studie, durchgeführt von einem Team am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat einen vielversprechenden Ansatz untersucht: das virtuelle Waldbaden. Diese Methode, die auf der japanischen Praktik des Shinrin Yoku basiert, könnte helfen, das emotionale Wohlbefinden zu steigern, indem sie die Sinne der Teilnehmenden in einer digitalen Umgebung anspricht.
Die Forscher wollten herausfinden, ob die wohltuenden Effekte des Waldbadens, das traditionell das bewusste Eintauchen in die Natur umfasst, auch in einem virtuellen Setting wirksam sind. Insbesondere interessierte sie, ob die gleichzeitige Ansprache mehrerer Sinne – Sehen, Hören und Riechen – die positiven Effekte verstärken könnte. Zu diesem Zweck wurde im größten Douglasienwald Europas ein hochqualitatives 360°-VR-Video produziert, das mit authentischen Geräuschen und dem Duft ätherischer Douglasienöle ergänzt wurde. Die Teilnehmenden erlebten die digitale Waldlandschaft entweder als komplettes Sinneserlebnis oder in reduzierter Form, bei der nur ein einzelner Sinn angesprochen wurde.
Für die Studie wurden über 130 Probanden in eine stressige Situation versetzt, bevor sie die verschiedenen Waldbaden-Varianten erlebten. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Die Kombination aller drei Sinnesreize führte zu einer signifikanten Verbesserung der Stimmung und einem intensiveren Gefühl der Verbundenheit mit der Natur, verglichen mit den Varianten, bei denen nur ein Sinn aktiviert wurde. Darüber hinaus beobachteten die Forscher auch einige Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis der Teilnehmenden, was darauf hindeutet, dass die virtuelle Naturerfahrung nicht nur das emotionale, sondern auch das kognitive Wohlbefinden fördern kann.
Die Wissenschaftler betonen jedoch, dass diese Ergebnisse spezifisch für die untersuchten Bereiche sind und nicht als universell gültig betrachtet werden können. Um die Erkenntnisse weiter zu validieren, sind zusätzliche Studien mit größeren Probandengruppen geplant. Leonie Ascone, die Erstautorin der Studie, äußerte sich optimistisch über die Ergebnisse: „Digitale Naturerlebnisse können emotionale Wirkungen entfalten, auch wenn sie nicht die reale Natur ersetzen können.“
Ein weiterer Aspekt der Forschung bezieht sich auf die potenziellen Anwendungsgebiete dieser Technologie. Simone Kühn, die Leiterin der Studie, hebt hervor, dass multisensorische VR-Anwendungen in Umgebungen mit begrenztem Zugang zur Natur, wie Kliniken oder urbanen Räumen, von großem Nutzen sein könnten. Die Erfahrung, Bilder, Klänge und Düfte der Natur zu erleben, könnte das mentale Wohlbefinden in stressreichen Alltagssituationen erheblich steigern.
Die Erkenntnisse dieser Studie könnten nicht nur für Kliniken von Bedeutung sein, sondern auch für Wartebereiche und andere urbane Umgebungen, in denen Menschen oft unter Stress stehen. Der Einsatz von virtuellen Naturerfahrungen könnte dazu beitragen, das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern und eine positive Atmosphäre zu schaffen, wo immer es notwendig ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass virtuelles Waldbaden eine vielversprechende Methode zur Stressbewältigung darstellt, die durch die Ansprache mehrerer Sinne verstärkt wird. Die Forschung zeigt, dass diese digitale Form der Naturerfahrung sowohl das emotionale Wohlbefinden als auch die kognitive Leistungsfähigkeit fördern kann, was weitreichende Implikationen für die Anwendung in stressbelasteten Umgebungen hat. Zukünftige Studien werden notwendig sein, um die Mechanismen hinter diesen positiven Effekten weiter zu erforschen und die Möglichkeiten für die Integration dieser innovativen Ansätze in den Alltag zu prüfen.