
Die Frage, wie wir unsere Wohnräume zukünftig CO2-neutral beheizen können, wird immer dringlicher. Bis zum Jahr 2045 müssen umfassende Pläne entwickelt werden, um die Wärmeversorgung in den Städten umzustellen. Die Verantwortung dafür liegt in den Händen der Kommunen, die in den nächsten zwei bis vier Jahren konkrete Strategien erarbeiten müssen. Ein zentraler Aspekt dieser Planung ist die Einbeziehung der Bevölkerung. Doch wie kann dies effektiv geschehen? Dr. Jan-Hendrik Kamlage, der die Forschungsgruppe für Partizipation und Transformation am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) der Ruhr-Universität Bochum leitet, äußert sich kritisch: „Die Beteiligung der Bürger bleibt derzeit hinter den Möglichkeiten zurück.“ Gemeinsam mit seinem Team hat er im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Studie erstellt, die aufzeigt, wie Bürgerengagement in die Wärmeplanung integriert werden kann.
Die Wärmeplanung einer Gemeinde hat weitreichende Konsequenzen für die Anwohner, da sie darüber entscheidet, ob beispielsweise ein Viertel über nachhaltige Fernwärme versorgt werden kann oder ob die Hausbesitzer selbst Maßnahmen zur Nutzung umweltfreundlicher Heizsysteme ergreifen müssen. Kamlage hebt hervor: „Demokratie lebt von der aktiven Beteiligung der Bürger. Sie sollten nicht nur über Planungen informiert werden, die sie betreffen, sondern auch die Möglichkeit haben, ihr Wissen, ihre Interessen und Ressourcen einzubringen.“ Er verweist auf positive Beispiele, in denen sich Bürger gemeinschaftlich organisiert haben, um lokale Wärmenetze zu betreiben. Solche Initiativen können durch Bürgerforen und Versammlungen unterstützt werden, was die Möglichkeit eröffnet, eine Wärmewende von der Basis aus zu fördern.
Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer umfassenden Analyse von Literatur und Fallbeispielen aus verschiedenen deutschen Städten wie Tübingen, Rostock, Koblenz, Bremen und Saerbeck. Beide Arten von Beteiligungsformaten wurden dabei untersucht: die formellen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, sowie die informellen, die oft kreativer und zugänglicher gestaltet sind, wie etwa Info-Busse oder persönliche Informationsgespräche. Kamlage betont, dass solche informellen Formate insbesondere Menschen erreichen können, die sich von den klassischen, formellen Informationsangeboten nicht angesprochen fühlen. Oft wird diesen Gruppen fälschlicherweise mangelndes Interesse unterstellt.
Die Forscher empfehlen mehrere Maßnahmen zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung in der Wärmeplanung. Zunächst sollte der Kapazitätsaufbau in den Kommunen gezielt gefördert werden. Bund und Länder sollten den Kommunen dabei helfen, personelle, fachliche und organisatorische Kapazitäten für eine bürgerorientierte Wärmeplanung aufzubauen. Zudem wird angeregt, erfolgreiche Beteiligungsansätze sichtbarer zu machen. Der Austausch über gelungene Beispiele und Modellprojekte kann als Orientierung und Inspiration dienen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verbindlichkeit der Planung. Die Maßnahmen, die im Rahmen der Wärmeplanung entwickelt werden, müssen verbindlich umgesetzt werden, da bislang kein Monitoring vorgesehen ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen, wie Genossenschaften, Umwelt- und Sozialverbände sowie Bürgerstiftungen, sollten ebenfalls besser in die Planung einbezogen werden, um eine breitere Akzeptanz und Unterstützung zu gewährleisten.
Zusätzlich ist eine kontinuierliche wissenschaftliche Begleitforschung notwendig, um die Wirkungen und Herausforderungen partizipativer Wärmeplanung zu verstehen. Diese Forschung kann wertvolle Erkenntnisse liefern, die es ermöglichen, die Prozesse weiter zu optimieren und den Bürgern die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Gestaltung ihrer Umwelt teilzuhaben.
Insgesamt zeigt die Studie, dass eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in die Wärmeplanung nicht nur die Akzeptanz von Maßnahmen erhöht, sondern auch zu innovativen Lösungen führen kann. Der Weg zur CO2-Neutralität kann nur gemeinsam mit den Bürgern beschritten werden. Es ist an der Zeit, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung voll auszuschöpfen und eine nachhaltige Wärmeversorgung zu schaffen, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird.