Die Rolle der Dörfer in Europa: Ein Gleichgewicht zwischen Biodiversität und Lebensqualität**

Die Rolle der Dörfer in Europa: Ein Gleichgewicht zwischen Biodiversität und Lebensqualität**

In einer neuen Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ veröffentlicht wurde, wird die zentrale Bedeutung von Dörfern für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa beleuchtet. Angeführt von einem internationalen Team von Forschern, zu dem auch Wissenschaftler der Hochschule Anhalt gehören, wurde untersucht, wie verschiedene Landschaftsstrukturen, die Distanz zu städtischen Zentren, die Artenvielfalt sowie das Wohlbefinden der Menschen miteinander verknüpft sind. Diese Forschungsergebnisse sind wegweisend für die künftige Entwicklung ländlicher Regionen.

Die biologische Vielfalt in ländlichen Siedlungen ist im Vergleich zu städtischen und landwirtschaftlichen Systemen bislang nur unzureichend erforscht. Die aktuelle Studie zeigt auf, wie Landschaften und Siedlungsstrukturen interagieren. Professorin Dr. Christina Fischer von der Hochschule Anhalt, die als Co-Autorin an der Studie beteiligt war, betont: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass ein sensibles Gleichgewicht notwendig ist, um das menschliche Wohlbefinden zu steigern, ohne die ökologische Integrität ländlicher Gebiete zu gefährden.“

Das Forschungsteam analysierte insgesamt 64 Dörfer in Ungarn und Rumänien, die sich sowohl in der Nähe als auch in der Ferne zu größeren Städten befinden und in waldreichen oder landwirtschaftlich geprägten Landschaften liegen. Dabei wurden standardisierte Methoden genutzt, um verschiedene Arten von Pflanzen, Insekten und Vögeln zu erfassen, unter anderem durch Bodenfallen und Insekten-Saugproben. Zusätzlich wurden sozioökonomische Daten erhoben und mithilfe des Better Life Index sowie des Human Footprint Index analysiert. Insgesamt konnten 1.164 Arten aus neun unterschiedlichen Gruppen dokumentiert werden.

Besonders artenreich waren die Dörfer in waldreichen Gebieten, während in landwirtschaftlich dominierten Landschaften die Artenvielfalt signifikant niedriger ausfiel. Dr. Péter Batáry, der Erstautor der Studie, erklärt dazu: „Diese Beobachtungen unterstreichen die Wichtigkeit des regionalen Artenpools für die Biodiversität in Dörfern. Die Nähe zu städtischen Gebieten hatte einen geringen Einfluss auf die Anzahl der Arten, was darauf hinweist, dass andere Faktoren eine größere Rolle spielen.“

Für die ungarischen Dörfer wurden umfassende Daten bezüglich der Lebensbedingungen und der Lebensqualität gesammelt, die im Better Life Index zusammengefasst wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass Dörfer in der Nähe städtischer Ballungsgebiete um 27 % höhere Werte aufwiesen, während in waldreichen Regionen die Lebensqualität um 14 % über der in landwirtschaftlich dominierten Gebieten lag. Professor Dr. Teja Tscharntke von der Universität Göttingen ergänzt: „Die Nähe zu Städten bietet besseren Zugang zu Dienstleistungen, während bewaldete Landschaften von sauberer Luft und mehr Grünflächen profitieren, was den Lebensstandard und die Lebensqualität steigert.“

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Untersuchung war der Human Footprint Index, der auf Basis von Geoinformationen die Umweltauswirkungen von Infrastrukturen und Landnutzungen bewertet. In Dörfern mit höherer Lebensqualität war dieser Index tendenziell höher, insbesondere in der Nähe von Städten, was auf einen Zielkonflikt zwischen menschlicher Entwicklung und Biodiversität hinweist. In waldreichen Gegenden blieb die biologische Vielfalt trotz menschlicher Eingriffe weitgehend erhalten, was zeigt, dass komplexe Landschaften den Verlust der Biodiversität abmildern können.

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Notwendigkeit eines nachhaltigen Dorfmanagements, das den spezifischen landschaftlichen Kontext berücksichtigt, um sowohl die Artenvielfalt als auch die Lebensqualität zu sichern. In städtischen Dörfern sollte die Versiegelung von Böden minimiert und die grüne Infrastruktur so gestaltet werden, dass sie möglichst viele Arten unterstützt. In waldreichen Regionen wäre es ratsam, landwirtschaftliche Flächen einzuschränken und die Anbindung an umliegende Wälder sowie grüne Korridore zu stärken, um Biodiversität und Wohlbefinden zu fördern.

Abschließend fordern die Autoren der Studie eine engere Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerung, den Behörden und den Landnutzenden. Dr. Batáry betont: „Die EU-Strategie zur ländlichen Entwicklung sollte dem Management der biologischen Vielfalt einen höheren Stellenwert einräumen, um den Schutz und die Qualität der Landschaft in und um Dörfer zu verbessern.“