Die Evolution der Anpassung: Wie Lebewesen mit Arsen umgingen**

Die Evolution der Anpassung: Wie Lebewesen mit Arsen umgingen**

Die Geschichte des Lebens auf der Erde ist geprägt von zahlreichen Herausforderungen und Anpassungen. Eine der faszinierendsten Entdeckungen in der Evolutionsbiologie ist die Fähigkeit gewisser Organismen, mit Arsen umzugehen, einem Element, das für viele Lebensformen giftig ist. Um die Ursprünge dieser bemerkenswerten Eigenschaft zu verstehen, müssen wir tief in die Erdgeschichte eintauchen, und zwar bis vor etwa 2,1 Milliarden Jahren.

Im Jahr 2010 entdeckte der Geologe Abderrazak El Albani von der Universität Poitiers in Frankreich in Gabun Fossilien, die als die ältesten bekannten Überreste komplexer, koloniebildender Lebensformen gelten. Diese Fossilien, die bis zu 17 Zentimeter groß werden konnten, veränderten unser Verständnis von der Evolution und der Entwicklung von Mehrzellern grundlegend. Bis zu diesem Zeitpunkt glaubte man, dass die makroskopische Mehrzelligkeit bereits vor 600 Millionen Jahren entstanden sei, doch die neuen Funde verschoben diesen Zeitrahmen um über 1,5 Milliarden Jahre zurück.

Die Fossilien, die als „Gabonionta“ bezeichnet werden, zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt in ihrer Form. Während einige eine kugelige Struktur besitzen, erinnern andere an flache, wurmähnliche Gestalten. Diese frühen Lebensformen entstanden während einer der bedeutendsten Umwälzungen in der Erdgeschichte, dem sogenannten „Great Oxidation Event“. Vor etwa 2,4 bis 2,3 Milliarden Jahren begann sich freier Sauerstoff in der Atmosphäre anzusammeln, was die Entstehung größerer und komplexerer Organismen ermöglichte. Der neu verfügbare Sauerstoff eröffnete diesen Lebensformen neue Wege der Energiegewinnung.

Allerdings brachte diese neue Umwelt auch Herausforderungen mit sich. Im Meerwasser war Arsen vorhanden, das zwar in ähnlichen Konzentrationen wie heute vorkam, aber für die Gabonionta ein ernsthaftes Problem darstellte. Bei ihrem Stoffwechsel nahm ihr Körper Arsen zusammen mit dem benötigten Phosphat auf. Diese ungewollte Anreicherung konnte zu einer gefährlichen Giftigkeit führen, da Arsen in höheren Konzentrationen die Funktionsweise von Proteinen stören und die Energiegewinnung beeinträchtigen kann.

Trotz der potenziellen Gefahren fanden zahlreiche Organismen im Laufe der Evolution Wege, Arsen als Spurenelement zu nutzen. Interessanterweise zeigt auch der menschliche Körper eine geringe Menge an Arsen, etwa 7 Milligramm. Im Verlauf der Evolution entwickelten Lebewesen Mechanismen, um Arsen gezielt aufzunehmen und dessen toxische Wirkung zu neutralisieren. Aber wann genau fand dieser evolutionäre Schritt statt?

Ein Forscherteam von Geochemikern und Geologen, bestehend aus Mitgliedern der Universität Poitiers und des Naturhistorischen Museums Wien, hat nun Antworten auf diese Fragen gefunden. In den Fossilien der Gabonionta entdeckten die Wissenschaftler spezifische Anreicherungen von Arsen, die nicht zufällig verteilt waren, sondern in klar definierten Bereichen konzentriert vorkamen. Dies deutet darauf hin, dass diese frühen Lebensformen einen Weg fanden, Arsen chemisch zu reduzieren und somit zu entgiften. Das nun weniger gefährliche Arsen wurde in spezielle Bereiche des Körpers transportiert und dort gespeichert.

Diese Entdeckung ist nicht nur ein Beweis für die erstaunliche Anpassungsfähigkeit des Lebens, sondern zeigt auch, dass die Gabonionta möglicherweise die ersten Organismen waren, die Arsen in irgendeiner Form verwerten konnten. Nach dem Tod dieser Lebewesen wurde das Arsen wieder mit anderen Elementen verbunden und im Mineral Pyrit gebunden, wodurch die chemische Signatur der Gabonionta über 2,1 Milliarden Jahre in Gestein erhalten blieb.

Drei dieser bemerkenswerten Fossilien sind derzeit als Leihgaben der Universität Poitiers im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellt. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und tragen erheblich zum Verständnis der frühen Evolution und der Anpassungsfähigkeit von Organismen bei. Dieses Wissen ist nicht nur für die Paläontologie von Bedeutung, sondern eröffnet auch neue Perspektiven auf die Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt im Laufe der Erdgeschichte.