
Ein internationales Team von Wissenschaftlern, an dem auch das Alfred-Wegener-Institut beteiligt ist, hat in der renommierten Fachzeitschrift Science eine eindringliche Aufforderung zur Reform bestehender rechtlicher Vorschriften veröffentlicht. Diese Reformen sind notwendig, um die genetische Diversität von Korallen zu fördern und deren Widerstandsfähigkeit in Zeiten des Klimawandels zu stärken. Die Forscher warnen, dass ohne diese Änderungen der Rückgang der Korallenriffe weiter voranschreiten könnte, was katastrophale Folgen für die marinen Ökosysteme und die daran abhängenden Arten hätte.
Korallenriffe sind von großer ökologischer Bedeutung. Sie dienen nicht nur als Lebensraum für zahlreiche marine Arten, sondern fungieren auch als natürliche Barrieren gegen Wellen und sind eine wichtige Grundlage für den Tourismus. Leider sind diese Riffe weltweit durch steigende Meerestemperaturen, Umweltverschmutzung und übermäßige Fischerei bedroht. Ein besorgniserregendes Beispiel ist der Rückgang gesunder Korallenbestände in den Florida Keys, wo die Abdeckung in den letzten vier Jahrzehnten um beeindruckende 90 Prozent gesunken ist.
Ein entscheidender Faktor für die Resilienz von Korallen ist ihre genetische Diversität. Eine hohe genetische Variabilität erhöht die Chancen, dass einige Individuen über Gene verfügen, die ihnen helfen, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Um diese Diversität zu fördern, könnte der Austausch von Korallenpopulationen aus unterschiedlichen Regionen von Vorteil sein. Derzeit behindern jedoch internationale Abkommen, wie das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (CITES) und das Nagoya-Protokoll, den grenzüberschreitenden Transfer von Korallen zu Forschungs- und Erhaltungszwecken.
Die Autoren der Veröffentlichung in Science plädieren für eine Anpassung dieser Regelungen, um den internationalen Austausch von Korallen zu erleichtern. Sie schlagen vor, bestehende Gesetze, die den Austausch von nicht-kommerziellen Pflanzen regeln, auch auf Korallen anzuwenden. Zudem wird die Schaffung regionaler Biobanken für Korallen gefordert, die als zentrale Aufbewahrungsorte für genetische Vielfalt dienen und den Austausch zwischen verschiedenen Ländern ermöglichen sollen. Diese Maßnahmen sind zeitkritisch, da Korallen zunehmend unter den Auswirkungen der globalen Erwärmung und marinen Hitzewellen leiden.
Die Notwendigkeit solcher Reformen wird durch die unzureichenden Fortschritte bei der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen unterstrichen. Die Mitautorin der Studie, Professorin Iliana Baums, hebt hervor, dass neue Ansätze erforderlich sind, um die Korallenriffe vor den Bedrohungen des Klimawandels zu schützen. Andrew Baker, der Hauptautor der Studie und Professor für Meeresbiologie an der University of Miami, betont, dass der unterstützte Genfluss (Assisted Gene Flow) eine vielversprechende Strategie zur Erhöhung der genetischen Vielfalt darstellt. Hierbei handelt es sich um den Transport von Individuen oder deren Keimzellen zwischen verschiedenen Lebensräumen, um deren Kreuzung zu erleichtern.
Ein aktuelles Beispiel für die Anwendung dieser Methode ist die Züchtung von Elchgeweihkorallen, die aus internationalen Kreuzungen zwischen Korallen aus Florida und Honduras hervorgegangen sind. Diese Korallen, die den Namen „Flonduran“ tragen, wurden kürzlich in die natürlichen Riffe Floridas eingeführt. Diese Initiative wurde als Reaktion auf die massiven Verluste während der Hitzewelle im Jahr 2023 ins Leben gerufen und soll die genetische Vielfalt der bedrohten Korallenpopulationen fördern.
Trotz der potenziellen Risiken, die mit dem Transfer genetischer Vielfalt verbunden sind, ist eine Untätigkeit angesichts des rasanten Klimawandels keine Option. Die Forscher warnen, dass viele Korallenpopulationen nicht mehr in der Lage sind, sich an ihre sich verändernde Umwelt anzupassen. Die Einführung von genetischer Vielfalt könnte eine entscheidende Maßnahme sein, um die Überlebenschancen der Korallen zu erhöhen und ihre Fähigkeit zur Erholung zu unterstützen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bedrohung durch den Klimawandel und andere menschliche Aktivitäten dringende politische Reformen erfordert, um die Korallenriffe effektiv zu schützen. Die Wissenschaftler fordern eine internationale Zusammenarbeit, um neue Ansätze zur Erhaltung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Nur durch koordinierte Anstrengungen können wir sicherstellen, dass diese wertvollen Ökosysteme auch in Zukunft bestehen bleiben.