Mikroben als Schlüssel zu nachhaltiger Landwirtschaft: Geisenheimer Forscher fordern dringendes Han…

Mikroben als Schlüssel zu nachhaltiger Landwirtschaft: Geisenheimer Forscher fordern dringendes Han…

Gesunde Böden, robuste Pflanzen und stabile Erträge sind essentielle Komponenten einer nachhaltigen Landwirtschaft. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Communications, hebt die entscheidende Rolle von Mikroben und den wilden Verwandten unserer Kulturpflanzen hervor. Das Forschungsteam der Hochschule Geisenheim, unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph-Martin Geilfus, Prof. Dr. Davide Francioli und Dr. Muhammad Waqas, beleuchtet die dringende Notwendigkeit, Mikroben-Pflanzen-Interaktionen zu schützen und zu fördern, um die Herausforderungen der modernen Landwirtschaft zu bewältigen.

Die Erde ist ein komplexes Ökosystem, in dem Mikroben wie Bakterien und Pilze in symbiotischen Beziehungen zu Pflanzen leben. Diese unsichtbaren Organismen tragen maßgeblich zur Verbesserung der Bodenqualität, zur Nährstoffaufnahme und zur Bekämpfung von Krankheiten bei. Ihr Einfluss ist entscheidend für die Gesundheit und Produktivität der Pflanzen. Die Autoren der Studie warnen jedoch, dass intensive Landwirtschaftspraktiken, wie übermäßige Düngung, der Einsatz von Pestiziden und die intensive Bodenbearbeitung, diese feinen Wechselwirkungen stören. Diese Störungen haben zur Folge, dass viele nützliche Mikroben absterben, was die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Systeme gefährdet.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Pflanzenzucht häufig auf oberirdische Merkmale fokussiert ist und die unterirdischen Beziehungen zwischen Pflanzen und Mikroben vernachlässigt. Prof. Geilfus betont die Dringlichkeit dieser Problematik: „Wenn die Kooperation zwischen Pflanzen und Bodenmikroben gestört ist, gefährdet das letztendlich unsere Ernährungssicherheit.“

Um diese Herausforderungen anzugehen, rücken die Forscher die sogenannten „Crop Wild Relatives“ (CWR) in den Mittelpunkt ihrer Empfehlungen. Diese Wildformen unserer Nutzpflanzen, die sich über Jahrtausende mit ihren Mikroben angepasst haben, bieten ein enormes Potenzial für die Landwirtschaft der Zukunft. Die Wissenschaftler fordern die Schaffung von Biodiversitätsrefugien, in denen diese Wildpflanzen zusammen mit ihren Mikroben geschützt werden können. Solche Schutzgebiete sollten in enger Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften entstehen, um deren Wissen und Bedürfnisse zu integrieren. Ein Beispiel für ein solches erfolgreiches Projekt ist der Parque de la Papa in Peru, wo indigene Völker in Partnerschaft mit der Organisation ANDES an der Erhaltung einheimischer Kartoffelsorten arbeiten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den die Autoren ansprechen, ist die Notwendigkeit, eine weltweite „Rote Liste“ der bedrohten Wildverwandten einzuführen. Diese Liste soll dazu dienen, den Gefährdungsgrad der verschiedenen Arten zu erfassen und Prioritäten für den Schutz zu setzen. Die Forschung hat zum Ziel, unsere Kulturpflanzen nicht durch grundlegende Umzüchtungen, sondern durch die gezielte Förderung der Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und nützlichen Mikroben gesünder und widerstandsfähiger zu machen. Dazu zählen unter anderem eine verbesserte Nährstoffaufnahme, erhöhte Stressresistenz und ein geringerer Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel.

Die Wissenschaftler setzen auch auf moderne Technologien. In den Schutzgebieten sollen umfassende Daten über Pflanzen, Böden und mikrobielle Vielfalt gesammelt und in zugängliche Datenbanken übertragen werden. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und fortschrittlichen genetischen Analysetools wollen sie herausfinden, welche Pflanzen-Mikroben-Systeme besonders wertvoll für eine nachhaltige Landwirtschaft sind. Ein vielversprechender Ansatz ist auch die Entwicklung synthetischer mikrobieller Gemeinschaften (SynComs), die als innovative Lösungen dienen könnten.

Angesichts des alarmierenden Rückgangs der globalen Biodiversität, der auch die Wildverwandten bedroht, sehen die Autoren dringenden Handlungsbedarf. „Wir benötigen eine globale Initiative, die von internationalen Organisationen wie dem Crop Diversity Trust koordiniert wird. Gleichzeitig sind regionale Anlaufstellen erforderlich, die eng mit lokalen Partnern zusammenarbeiten und die Maßnahmen an die jeweiligen ökologischen und sozialen Gegebenheiten anpassen“, so Francioli, der die Professur für pflanzliche Mikrobiomik an der Hochschule Geisenheim innehat.

Um diese Initiativen zu finanzieren, schätzen die Autoren die erforderlichen Mittel im zweistelligen Millionenbereich, was mit Blick auf vergleichbare Programme realistisch erscheint. Das Institut für Bodenkunde und Pflanzenernährung in Geisenheim wird seine Forschung fortsetzen und durch umfangreiche Experimente im Labor und im Feld die funktionellen Zusammenhänge zwischen Bodenmikroben und Kulturpflanzen weiter entschlüsseln