Ein bedeutender Fortschritt für die geothermische Wärmeversorgung in Deutschland ist die Einführung einer neuen, interaktiven Karte, die erstmals die Potenziale der oberflächennahen Erdwärmenutzung bundesweit einheitlich darstellt. Diese Karte wurde im Rahmen des Forschungsprojekts WärmeGut entwickelt, das unter der Leitung des LIAG-Instituts für Angewandte Geophysik in Hannover sowie in Zusammenarbeit mit der Georg-August-Universität Göttingen und der geoENERGIE Konzept GmbH aus Freiberg entstanden ist. Die Entwicklung erfolgte in Kooperation mit den geologischen Landesdiensten aller 16 Bundesländer und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Geothermie, die natürliche Wärme aus dem Erdinneren, bietet eine zuverlässige und ganzjährige Energiequelle. Allerdings wurde ihr Nutzungspotenzial in der Vergangenheit nur unzureichend ausgeschöpft. Das Projekt WärmeGut hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern. Unter der Leitung von Prof. Dr. Inga Moeck, die die Forschungsabteilung für Systemintegration am LIAG leitet und gleichzeitig an der UGOE lehrt, wurden umfassende Daten über den geologischen Untergrund in Deutschland analysiert und aufbereitet. Diese Arbeit bildet die Grundlage für die neue Karte, die nun im Geothermischen Informationssystem GeotIS für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Die Karte nutzt ein einfaches Ampelsystem zur Darstellung der Nutzungsmöglichkeiten für Erdwärmesonden. Grün signalisiert Gebiete, in denen Erdwärmesonden uneingeschränkt eingesetzt werden können, während Gelb auf eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten hinweist und Rot Gebiete markiert, die nicht für die geothermische Nutzung geeignet sind. Dieses System ermöglicht es sowohl Fachleuten als auch privaten Hausbesitzern und Kommunen, schnell zu erkennen, ob eine geothermische Nutzung in ihrer Region möglich ist. Mit einem Klick auf die Karte können Benutzer detaillierte Informationen abrufen und Kontakt zu den zuständigen Behörden der jeweiligen Bundesländer aufnehmen.
Prof. Dr. Inga Moeck betont die Bedeutung dieser Karte als historischen Meilenstein für die Geothermie-Forschung. Sie hebt hervor, dass es gelungen ist, eine digitale Karte zu erstellen, die sowohl den spezifischen Anforderungen der Bundesländer als auch einer einheitlichen Darstellung der komplexen Datenlage gerecht wird. Die Forscher erhoffen sich durch diese interaktive Karte einen „Geothermie-Booster“, der Gemeinden, Städten und der Industrie helfen kann, geeignete Wärmequellen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu identifizieren. Moeck weist darauf hin, dass die Geothermie in der öffentlichen Diskussion oft vernachlässigt wird, obwohl sie eine essentielle Rolle für die Energiewende spielt.
Die neue Karte könnte besonders hilfreich für die kommunale Wärmeplanung sein, indem sie eine klare und einheitliche Grundlage bietet. Laut Studien des LIAG und des Fraunhofer IEG ist es ohne die Nutzung von Geothermie nicht möglich, die angestrebte Wärmewende in Deutschland erfolgreich umzusetzen. Prof. Moeck unterstreicht, dass die unsichtbare Erdwärme oft übersehen wird, im Gegensatz zu Wind- oder Solarenergie. Sie hofft, dass die Karte das Bewusstsein für geothermische Lösungen schärfen und der Forschung sowie der praktischen Anwendung einen entscheidenden Schub verleihen wird.
Zusätzlich zur Ampelkarte plant das Forschungsteam unter der Leitung von Moeck, weitere Karten für verschiedene Technologien der oberflächennahen Geothermie zu entwickeln, darunter Kollektoren- und Brunnensysteme. Diese Karten sollen als Grundlage für interaktive Potenzialkarten dienen, die die nutzbare Wärmeenergie für spezifische Standorte berechnen können. Solche Entwicklungen sind entscheidend, um Deutschland näher an eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu bringen.
Das Geothermische Informationssystem (GeotIS) bietet eine Vielzahl von Daten, darunter Querschnitte des Untergrunds, Informationen über bestehende Anlagen und Temperaturkarten. Diese Datenbasis, die auf mehr als 30.000 Bohrungen beruht, ermöglicht die dynamische Erstellung interaktiver Karten, die Fachinformationen mit topographischen und statistischen Daten kombinieren. Das LIAG, als unabhängige Forschungseinrichtung, ist seit 1953 auf Geothermie spezialisiert und hat bedeutende Beiträge zu diesem Bereich geleistet, einschließlich der Erstellung europäischer Geothermie-Atlanten.
Insgesamt stellt die Einführung dieser neuen Karte einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Wärmeversorgung in Deutschland dar.