
In Europa ist die Stickstoffbelastung in der Umwelt ein ernstzunehmendes Problem, das weitreichende negative Auswirkungen hat. Zu viel Stickstoff in der Luft führt zur Bildung von schädlichen Verbindungen wie Stickstoffdioxid und Ammoniak, die die Luftqualität beeinträchtigen. Ebenso resultiert ein übermäßiger Stickstoffeintrag in Böden in einem Rückgang der biologischen Vielfalt und trägt zur Verunreinigung von Grundwasser durch Nitrat bei. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die EU-Kommission im Rahmen der „Farm to Fork“-Strategie des Green Deal das Ziel formuliert, die Nährstoffverluste bis zum Jahr 2030 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren. Dies soll durch eine Senkung des chemischen Düngereinsatzes um 20 Prozent erreicht werden.
Eine aktuelle Untersuchung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zeigt jedoch, dass diese Vorgaben nicht ausreichen werden, um den Stickstoffüberschuss im Boden signifikant zu reduzieren. Stickstoff ist zwar ein essentieller Nährstoff für das Wachstum von Pflanzen und Tieren sowie für das menschliche Leben, doch ein Übermaß an Stickstoff kann schwerwiegende ökologische Probleme verursachen. Beispielsweise kann Überdüngung zu Sauerstoffmangel in Gewässern führen, was Fischsterben und das Verschwinden empfindlicher Pflanzenarten zur Folge hat. Zudem tragen Stickstoffoxide aus Verkehr und Industrie zur Bildung von bodennahem Ozon und Feinstaub bei, während beim Düngereinsatz das Treibhausgas Lachgas entsteht.
Der Stickstoffüberschuss im Boden wird ermittelt, indem die Stickstoffzufuhr – etwa durch Düngemittel, Gülle oder atmosphärische Einträge – von der Menge an Stickstoff abgezogen wird, die durch das Pflanzenwachstum dem Boden entzogen wird. Daten des UFZ zeigen, dass dieser Überschuss in Europa in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist. Der Anstieg begann nach dem Zweiten Weltkrieg und erreichte in den 1980er Jahren einen Höhepunkt, bevor er infolge politischer und wirtschaftlicher Reformen sowie technologischer Fortschritte vorübergehend zurückging. Seit den 2010er Jahren stagnierte der Stickstoffüberschuss jedoch auf hohem Niveau.
Die Forscher des UFZ haben den Stickstoffüberschuss in Europa von 1850 bis 2019 analysiert und in vier Kategorien eingeteilt: Staaten mit hohem Viehbesatz, wie die Niederlande und Dänemark, die vorwiegend Gülle verwenden, fallen in die Kategorie „Wirtschaftsdünger“. Länder wie Deutschland und Frankreich, die verstärkt mineralische Dünger einsetzen, gehören zur Kategorie „Kunstdünger“. Osteuropäische und mediterrane Länder nutzen sowohl Wirtschafts- als auch Kunstdünger moderat, während nordeuropäische Länder mit natürlichen Landschaften geringere Düngemengen anwenden.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die von der EU angestrebte Reduzierung des Düngereinsatzes um 20 Prozent zwar den Stickstoffüberschuss verringern würde, jedoch nicht in dem Maße, wie es das Ziel vorsieht. Statt einer Halbierung des Überschusses wird lediglich eine Reduktion um 10 bis 16 Prozent prognostiziert. Auch das ambitionierteste Szenario der FAO, das eine Reduktion des mineralischen Düngers um 43 Prozent vorsieht, könnte den Überschuss lediglich um 30 bis 45 Prozent senken.
Um die angestrebten Ziele zu erreichen, müssen insbesondere Länder mit einem hohen Stickstoffüberschuss wie Deutschland und die Niederlande drastische Maßnahmen ergreifen. Laut den Berechnungen des UFZ müssten die deutschen Landwirte den Einsatz von mineralischem Dünger um 20 Prozent und von Gülle um 50 Prozent reduzieren. Andernfalls wäre eine Reduktion des Gülleeinsatzes um bis zu 67 Prozent erforderlich, was jedoch mit erheblichen Ertragseinbußen verbunden wäre.
Diese Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, differenzierte Strategien zu entwickeln, die sowohl Umweltziele als auch die landwirtschaftliche Produktion berücksichtigen. Die Forschungsergebnisse bieten Entscheidungsträgern wertvolle Einblicke, um Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer nachhaltigen Landwirtschaft führen und die Umweltbelastungen reduzieren.