Indirekte Wechselwirkungen als Motor der Evolution**

Indirekte Wechselwirkungen als Motor der Evolution**

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben herausgefunden, dass indirekte ökologische Effekte eine entscheidende Rolle in der Evolution von Arten spielen können. Diese Erkenntnisse, die auf einer Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsinstitutionen wie dem Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology (Eawag) und der Universität Basel beruhen, stellen eine bedeutende Erweiterung des bisherigen Verständnisses in der Evolutionsbiologie dar. Die Forscher konnten erstmals mit konkreten Beweisen zeigen, dass auch Arten, die nicht direkt miteinander interagieren, evolutionären Einfluss aufeinander ausüben können.

Die Natur ist ein komplexes Gefüge, in dem viele Arten in direkter Konkurrenz zueinander stehen, während andere sich in verschiedenen Lebensräumen bewegen, ohne sich jemals zu begegnen. Diese indirekten Interaktionen werfen die Frage auf, ob sie stark genug sind, um die Evolution einer Spezies nachhaltig zu beeinflussen. Die Forscher der Johannes Gutenberg-Universität, angeführt von Prof. Dr. Shuqing Xu, haben diese Frage nun beantwortet. In ihren Experimenten stellte sich heraus, dass Blattläuse, die in der Luft über künstlichen Teichen lebten, die Evolution von Wasserflöhen, die im Wasser leben, beeinflussten, obwohl die beiden Arten nie direkt in Kontakt miteinander standen.

In den Experimenten wurden künstliche Teiche mit einem Volumen von jeweils 15.000 Litern genutzt. Über diesen Teichen schwirrten Blattläuse, die sich von Wasserlinsen ernährten. Durch den Befall der Wasserlinsen durch die Blattläuse wurde deren Wachstum gehemmt, was dazu führte, dass mehr Licht in die Teiche eindrang. Dies wiederum begünstigte das Wachstum von Algen, die als Nahrungsquelle für die Wasserflöhe dienten. Prof. Xu betont, dass die Wechselwirkung zwischen Blattläusen und Wasserflöhen zeigt, wie stark sich Lebensgemeinschaften gegenseitig beeinflussen können, selbst wenn sie in unterschiedlichen Lebensräumen leben.

Die Forscher sammelten über einen Zeitraum von zwei Jahren regelmäßig Wasserproben und dokumentierten verschiedene Parameter wie Temperatur, Nährstoffgehalt und die Populationen der beteiligten Arten, darunter Blattläuse, Wasserlinsen, Algen und Wasserflöhe. Im zweiten Jahr wurde ein Anstieg der Wasserflohpopulation festgestellt, der mit dem vermehrten Algenwachstum korrelierte. Dies deutet darauf hin, dass die Wasserflöhe von der erhöhten Nahrungsverfügbarkeit profitierten.

Um die evolutionären Veränderungen bei den Wasserflöhen zu untersuchen, analysierten die Forscher die genetischen Sequenzen dieser Tiere aus den Versuchsteichen und verglichen sie mit denen aus Kontrollteichen, in denen keine Blattläuse lebten. Die Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede in den Genomen, was darauf hinweist, dass die Wasserflöhe in den verschiedenen Teichen unterschiedliche evolutionäre Wege eingeschlagen hatten. Diese Prozesse wurden durch die Anwesenheit oder Abwesenheit der Blattläuse beeinflusst.

Ein weiterer Aspekt der Forschung war die Frage, wie sich die evolutionären Anpassungen der Wasserflöhe auf ihre Überlebensfähigkeit in unterschiedlichen Umgebungen auswirkten. Die Wissenschaftler führten Experimente durch, bei denen sie Wasserflöhe aus den Teichen mit Blattläusen in kontrollierte Teiche setzten und umgekehrt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Wasserflöhe, die sich unter dem Einfluss der Blattläuse entwickelt hatten, in den Kontrollteichen deutlich schlechter zurechtkamen. Dies verdeutlicht, dass evolutionäre Anpassungen auch Kosten mit sich bringen können und nicht immer eine universelle Überlebensfähigkeit garantieren.

Darüber hinaus untersuchten die Forscher, wie sich die Veränderungen in der aquatischen Gemeinschaft auf die Blattläuse zurückwirkten. Sie fanden heraus, dass erhöhte Temperaturen und Nährstoffgehalte, zusammen mit einer Zunahme der Wasserflöhe, positive Effekte auf die Blattlauspopulation hatten. Diese Erkenntnis belegt, dass auch Arten, die nicht direkt miteinander in Kontakt stehen, in ihrer Evolution gegenseitigen Einfluss ausüben können.

Prof. Xu schlussfolgert, dass diese Ergebnisse die Notwendigkeit unterstreichen, indirekte Interaktionen in der Evolutionsbiologie ernst zu nehmen. Die bisherige Forschung hat sich vorwiegend auf direkte Effekte konzentriert, was die Übertragung von Laborergebnissen auf natürliche Ökosysteme erschweren könnte. Die Studie zeigt auf, dass es wichtig ist, verschiedene Lebensräume als miteinander verbundene Systeme zu betrachten und nicht isoliert zu analysieren.

Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit wurden in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht und stellen einen bedeutsamen