
Im Bereich des Holzbaus, der als umweltfreundliche Alternative zu traditionellen Baustoffen wie Beton gilt, gibt es einige Herausforderungen, insbesondere wenn es um die statische Berechnung von Gebäuden geht. Ein aktuelles Forschungsprojekt, das von der Empa, der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und verschiedenen Industriepartnern durchgeführt wird, zielt darauf ab, diese Herausforderungen zu adressieren. Insbesondere geht es darum, wie Wände mit Fensteröffnungen in die Berechnung der horizontalen Aussteifung von Gebäuden einbezogen werden können.
Traditionell wird bei der Planung von Holzrahmenbauwerken die horizontale Stabilität, die durch Wind oder Erdbeben erzeugt wird, als kritisch angesehen. Die Ingenieure müssen sicherstellen, dass die Strukturen sowohl vertikalen als auch horizontalen Lasten standhalten können. Allerdings gibt es in der aktuellen Baupraxis eine erhebliche Wissenslücke: In der Schweiz sowie in vielen anderen europäischen Ländern existieren keine klaren Richtlinien darüber, wie viel Horizontallast eine Holzrahmenwand mit Fensteröffnungen tatsächlich tragen kann. Oft wird angenommen, dass die Wand an den Stellen der Fensteröffnungen keine Last trägt, was zu ineffizienten Planungsmethoden führt.
Das Forschungsteam, das von der Empa geleitet wird, hat sich daher zum Ziel gesetzt, diese Wissenslücke zu schließen. Die ersten Versuche fanden in der Berner Fachhochschule statt, wo zunächst einfache Materialien getestet wurden, bevor komplexere Wandstrukturen mit unterschiedlichen Fenstergrößen untersucht wurden. Diese Phase der Forschung umfasste auch bedeutende Experimente in der Bauhalle der Empa, wo die Belastbarkeit von zweigeschossigen und eingeschossigen Holzwänden mit Fensteröffnungen getestet wurde. Diese Tests sind entscheidend, um ein besseres Verständnis für die statischen Eigenschaften der Wände zu erlangen.
Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Forschung ist der Einsatz modernster Technologie. Die Tests wurden mit zahlreichen Kameras und Sensoren überwacht, um präzise Daten zu sammeln. Bei einem der Experimente wurde eine horizontale Last von über 100 Kilonewton auf eine Wand ausgeübt, was schließlich zu einem beeindruckenden Bruch eines Balkens führte. Diese Ergebnisse sind nicht nur für die Wissenschaft von Bedeutung, sondern auch für die praktische Anwendung in der Bauindustrie.
Die Erkenntnisse aus diesen Experimenten fließen in die Entwicklung eines neuen Computer-Modells ein. Dieses Modell wird dazu verwendet, die horizontale Aussteifung von Wänden, die Fensteröffnungen enthalten, genauer zu berechnen. Erste Resultate zeigen vielversprechende Ansätze: Es könnte möglich sein, in Zukunft weniger aufwendige Stahlverankerungen zu benötigen und sogar auf Betonkernstrukturen zu verzichten, die derzeit häufig erforderlich sind, um die Steifigkeit der Gebäude zu erhöhen. Diese Veränderungen könnten nicht nur Material und Kosten sparen, sondern auch umweltfreundlichere Baupraktiken fördern.
Ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Prozess ist die Vereinfachung des Modells, das gegenwärtig noch sehr komplex und rechenintensiv ist. Die Forscher arbeiten eng mit Industriepartnern zusammen, um ein benutzerfreundlicheres Modell zu entwickeln, das dennoch die notwendigen Genauigkeiten liefert. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Industrie spielt eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass die entwickelten Methoden schnell in der Praxis Anwendung finden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Forschungsprojekt nicht nur dazu beiträgt, die Effizienz im Holzbau zu steigern, sondern auch nachhaltigere Baupraktiken fördert. Die Ergebnisse könnten weitreichende Folgen für die Zukunft des Holzbaus haben und dazu beitragen, dass dieser Baustil noch attraktiver wird – sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch.