
Die Technische Universität Graz hat durch eine umfassende Studie das Potenzial naturnaher Maßnahmen zur Verbesserung des Wassermanagements in städtischen Gebieten untersucht. Insbesondere wurde analysiert, wie dezentrale Ansätze zur Bewirtschaftung von Niederschlagswasser dazu beitragen können, die Umweltverschmutzung und Überschwemmungsgefahr während starker Regenfälle zu verringern. Die Forschung zeigt, dass solche Maßnahmen in der Stadt Graz allein ein Rückhaltevolumen von bis zu 500.000 Kubikmetern Wasser ermöglichen könnten.
Städte sind häufig durch eine hohe Versiegelung der Böden geprägt, was die natürliche Versickerung von Regenwasser behindert. In Kombination mit unzureichenden Retentions- und Versickerungskapazitäten erhöhen sich die Risiken von Überflutungen und Verschmutzungen erheblich. Das Forschungsteam um die Wissenschaftler Dirk Muschalla und Albert König hat herausgefunden, dass naturnahe, dezentrale Strategien zur Regenwasserbewirtschaftung eine vielversprechende Lösung darstellen. Diese Maßnahmen könnten in städtischen Räumen dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von Starkregenereignissen zu mildern.
Die Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit der Abteilung Verkehr und Landeshochbau des Landes Steiermark, der Stadt Graz und der Holding Graz GmbH durchgeführt. Sie konzentrierte sich auf Maßnahmen, die auf öffentlichem und privatem Grund umsetzbar sind. Muschalla betont, dass es unrealistisch sei, die gesamte Stadt umzugestalten, aber dennoch erhebliche Potenziale auf öffentlichem Grund bestehen. Bereits hier könnten durch gezielte Maßnahmen rund 190.000 Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie ist die Einführung neuer Bauvorschriften für private Bauprojekte in Graz. Diese Vorschriften verlangen von den Bauherren, dass sie nachweisen, dass das Wasser von Starkregenereignissen, die statistisch nur alle 30 Jahre auftreten, auf dem Grundstück zurückgehalten wird. Die Forscher ermittelten, dass diese Regelung ein zusätzliches Rückhaltevolumen von etwa 296.000 Kubikmetern Wasser generieren könnte. Allerdings zeigen sich die vollen Auswirkungen dieser Vorschriften erst über einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahren, da sie nur für zukünftige Projekte gelten.
Für den öffentlichen Raum wurden verschiedene Maßnahmen detailliert analysiert. Dazu gehören die Entsiegelung von Parkplätzen, um versickerungsfähige Flächen zu schaffen, die Installation von Baumrigolen sowie die Umgestaltung von Straßenbegleitgrün zu Sicker- und Retentionsmulden. Diese Maßnahmen fördern nicht nur die Wasserrückhaltung, sondern verbessern auch die Lebensqualität in der Stadt. Besonders die Baumrigolen, die nach dem Stockholm-System konstruiert werden, bieten vielversprechende Möglichkeiten. Diese Rigolen bestehen aus einem Gerüst aus grobem Kies, das Platz für die Wurzeln der Bäume schafft und gleichzeitig eine effektive Versickerung ermöglicht.
Die Forscher haben auch die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf das bestehende Kanalsystem analysiert. Es wurde festgestellt, dass die Umsetzung der naturnahen Konzepte keine negativen Folgen für das Kanalsystem zu befürchten hat. Im Gegenteil, sie könnten dazu beitragen, die Kanalisation zu entlasten und die städtischen Hitzeinseln zu bekämpfen.
Die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner hebt hervor, dass die Ergebnisse dieser Forschung die Bedeutung von Grünflächen und Bäumen für die urbane Infrastruktur unterstreichen. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Stadtentwässerung und dem Überflutungsschutz. Dies bestärkt die Stadt Graz in ihrem Bestreben, sich zur sogenannten „Schwammstadt“ zu entwickeln und ihre Vorreiterrolle in Europa in diesem Bereich weiter auszubauen.
Insgesamt zeigt die Studie, dass Graz durch naturnahe Maßnahmen erheblich besser auf Starkregenereignisse vorbereitet werden kann. Die Kombination von Forschung, politischen Rahmenbedingungen und praktischen Maßnahmen könnte dazu beitragen, die Resilienz der Stadt gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu erhöhen und gleichzeitig die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.