Landwirtschaftliche Diversifizierung in der Jungsteinzeit: Ein neuer Blick auf frühe Getreidekultur…

Landwirtschaftliche Diversifizierung in der Jungsteinzeit: Ein neuer Blick auf frühe Getreidekultur…

In der frühen Jungsteinzeit, etwa vor 7.000 Jahren, begannen die ersten Bauern in Mitteleuropa, ihre Anbaumethoden zu diversifizieren und neue Getreidesorten in ihre Produktion einzuführen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie, die im „Journal of Archaeological Science“ erschienen ist, bietet tiefe Einblicke in diese frühen landwirtschaftlichen Innovationen. Unter der Leitung von Professorin Dr. Silviane Scharl von der Universität zu Köln und Professorin Dr. Astrid Stobbe von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, wurde ein interdisziplinäres Forschungsprojekt durchgeführt, das sich mit der Entwicklung der Landwirtschaft und den damit verbundenen Veränderungen in der Kultivierung von Pflanzen befasst.

Die Studie ist Teil eines umfassenderen Projekts, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und sich auf die Diversifizierung und den Wandel in den landwirtschaftlichen Praktiken im 5. Jahrtausend v. Chr. in zentralen Regionen Mitteleuropas konzentriert. Hierbei arbeiten Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zusammen, darunter prähistorische Archäologie, Archäobotanik, Vegetationsgeschichte, Archäozoologie und Dendroarchäologie.

Die ersten Bauern, die der Linearbandkeramischen Kultur angehörten, lebten zwischen 5400 und 4900 v. Chr. und konzentrierten sich hauptsächlich auf den Anbau von Emmer und Einkorn, zwei Arten von Spelzgetreide. Diese Getreidearten mussten vor der Verarbeitung von ihrer äußeren Hülle befreit werden, was als Entspelzen bezeichnet wird. Bisher war bekannt, dass während des Verlaufes der Jungsteinzeit, insbesondere im Mittelneolithikum (ca. 4900 bis ca. 4500 v. Chr.), neue Getreidesorten wie Nacktweizen und Gerste eingeführt wurden. Die genauen Zeitpunkte und Abläufe dieser Veränderungen waren jedoch bislang unklar.

Um ein besseres Verständnis dieser Prozesse auf regionaler Ebene zu erlangen, sammelte das Forschungsteam Daten zu archäobotanischen Überresten aus 72 neolithischen Fundstätten im Rheinland. Diese Proben, die verkohlte Sämereien enthalten, datieren aus dem späten 6. bis frühen 4. Jahrtausend v. Chr. und wurden aus Siedlungsgruben der damaligen Bauern gewonnen. Durch den Einsatz multivariater statistischer Methoden konnten signifikante Unterschiede zwischen den neolithischen Phasen identifiziert werden.

Ein überraschendes Ergebnis der Studie war, dass die für das Mittelneolithikum typischen landwirtschaftlichen Veränderungen bereits zu Beginn dieses Zeitraums zu beobachten waren. Laut Professorin Scharl führte die Integration neuer Getreidearten zu einer resilienteren und flexibleren Landwirtschaft. Diese Neuerungen ermöglichten nicht nur den Anbau von Winter- und Sommerkulturen, sondern auch die Nutzung einer breiteren Palette von Böden, was zudem zu einer potenziellen Reduzierung des Arbeitsaufwands führte.

Die Diversitätsanalyse der Anbaupraktiken zeigte, dass die Bauern um 4350 v. Chr. die größte Vielfalt in ihrem Getreidespektrum erreichten. Danach nahm die Diversität jedoch wieder ab, was auf eine mögliche Transformation des Agrarsystems hindeutet, die in zukünftigen Forschungen genauer untersucht werden soll. Es gibt Hinweise darauf, dass in der Folgezeit die Viehwirtschaft, besonders die Rinderhaltung, an Bedeutung gewann.

Die aktuellen Ergebnisse verdeutlichen, dass die Jungsteinbauern über die Zeit hinweg landwirtschaftliche Techniken und Strategien entwickelten, die es ihnen ermöglichten, flexibel auf unterschiedliche Umweltbedingungen zu reagieren. In Regionen mit ungünstigen Bedingungen wurden Getreidearten angebaut, die trotz dieser Herausforderungen ertragreich waren. Dies zeugt von einem tiefen Verständnis der Umwelt, welches die Bauern in ihre Nahrungsmittelproduktion einfließen ließen.

Die Forschung zeigt, dass die Diversifizierung des Getreideanbaus in der Jungsteinzeit nicht nur eine Anpassung an die Umwelt war, sondern auch ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der frühen Landwirtschaft, der die Grundlagen für zukünftige agrarische Praktiken legte.