
Nach fast vier Jahrzehnten ohne Sichtung wird die Meeresschnecke Conus lugubris, die einst vor der Küste der Kapverdischen Insel São Vicente lebte, von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als offiziell ausgestorben eingestuft. Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Verlust für die Biodiversität und unterstreicht die Herausforderungen, mit denen marine Lebensräume konfrontiert sind. Die letzte bekannte Sichtung eines lebenden Exemplars dieser Kegelschnecke fand bereits 1987 statt, und seitdem wurden keine weiteren Individuen mehr entdeckt.
Die Hauptursache für das Verschwinden von Conus lugubris ist die Zerstörung ihres Lebensraums, die durch intensive Küstenbebauung und andere menschliche Aktivitäten bedingt ist. Prof. Dr. Julia Sigwart, eine Expertin des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, erklärt, dass die Küstenentwicklung fatale Auswirkungen auf die ohnehin schon kleinen Lebensräume dieser speziellen Schneckenart hatte. Diese Kegelschnecke war bis in die späten 1980er Jahre in der Matiota-Region an der Nordküste von São Vicente häufig zu finden.
In den letzten Jahren wurde die Art in früheren Bewertungen der IUCN als gefährdet eingestuft, doch die jüngsten Erkenntnisse führten nun zu einer Neubewertung und dem endgültigen Status „Extinct“, also ausgestorben. Seit 2011 wurden unter der Leitung von Guilherme Mascarenhas von der Universidade Técnica do Atlântico wiederholt Suchaktionen durchgeführt, jedoch blieben diese erfolglos. Dr. Manuel Jimenez Tenorio, ein Molluskenexperte von der Universität Cádiz, der an der Bewertung beteiligt war, merkte an, dass seit 38 Jahren kein lebendes Exemplar mehr entdeckt worden ist. Diese Zeitspanne übersteigt die Lebensdauer von mindestens sechs Schneckengenerationen und lässt die traurige Schlussfolgerung zu, dass Conus lugubris nicht mehr existiert.
Die Rote Liste der IUCN enthält gegenwärtig nur etwa 15 Prozent mariner Arten, was die Dringlichkeit unterstreicht, den Schutz und die Bewertung mariner Wirbelloser zu intensivieren. Prof. Sigwart kündigte die Gründung der „Marine Invertebrate Red List Authority (MIRLA)“ an, die Teil der Senckenberg Ocean Species Alliance (SOSA) ist. Ziel dieser Initiative ist es, eine schnellere Bewertung mariner Wirbelloser voranzutreiben, um den Verlust weiterer Arten zu verhindern. Die Rote Liste spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie ein wichtiges politisches Instrument zur Förderung von Schutzmaßnahmen darstellt.
Bereits im Jahr 2011 stellte eine umfassende Studie fest, dass die Kegelschnecken in Kap Verde, insbesondere die endemischen Arten, stark gefährdet sind. Diese Ergebnisse trugen zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes zum Schutz heimischer Tier- und Pflanzenarten in Kap Verde im Jahr 2022 bei. Diese Gesetzgebung wurde in enger Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Cádiz und dem Museo Nacional de Ciencias Naturales-CSIC in Spanien entwickelt und zeigt, dass das Schicksal der kleinen Kegelschnecke auch positive Impulse für den Naturschutz geben kann.
Trotz des traurigen Aussterbens von Conus lugubris gibt es Hoffnung, dass die durch diese Art angestoßenen Schutzmaßnahmen künftigen Generationen von Arten helfen können, ähnliche Schicksale zu vermeiden. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass wir erneut eine Art für immer verloren haben. Doch die Maßnahmen, die auf diese traurige Erkenntnis folgen, könnten möglicherweise andere Arten vor dem gleichen Schicksal bewahren“, so Prof. Sigwart.
Die Geschichte von Conus lugubris erinnert uns daran, wie verwundbar unsere marine Biodiversität ist und wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz von Lebensräumen und Artenvielfalt zu ergreifen, um zukünftige Verluste zu verhindern. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist sich einig, dass es an der Zeit ist, gezielte Anstrengungen zu unternehmen, um das Überleben anderer bedrohter mariner Spezies zu sichern.