
Die Reduzierung von Treibhausgasemissionen ist für Unternehmen nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine ökonomische Herausforderung und Chance. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts haben eine innovative Methode entwickelt, die es Unternehmen ermöglicht, ihre Klimaschutzmaßnahmen systematisch zu analysieren und zu bewerten. Dies ist besonders relevant angesichts der ambitionierten Klimaziele Deutschlands und der Europäischen Union, die bis 2045 beziehungsweise 2050 eine vollständige Klimaneutralität anstreben.
Der Prozess beginnt mit der Erstellung einer umfassenden Emissionsbilanz, die die gesamten Treibhausgasemissionen eines Unternehmens entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfasst. Viele Unternehmen stehen jedoch vor der Hürde, dass ihre Daten unvollständig sind. Um diese Lücken zu schließen, nutzen die Forscher vorhandene Produktionsdaten, öffentliche Statistiken und relevante wissenschaftliche Literatur. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, ein präzises Bild der Emissionen zu erhalten, die mit den Produkten eines Unternehmens verbunden sind. Beispielsweise können Verkaufszahlen in bestimmten Regionen und die spätere Entsorgung der Produkte in Verbindung gebracht werden, um die Emissionen in der nachgelagerten Wertschöpfungskette zu schätzen.
Sobald die Datenbasis vollständig ist, beginnt die Identifizierung geeigneter Klimaschutzmaßnahmen. Hierbei ist Vorsicht geboten: Nicht jede Maßnahme führt zwangsläufig zu signifikanten Emissionsreduktionen oder einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz. Ein Beispiel hierfür ist der Austausch von Verbrennungsfahrzeugen gegen Elektroautos. Diese Investition kann teuer sein und nicht unbedingt zu einer nennenswerten Reduzierung der Emissionen führen, wenn nicht auch die gesamte Logistik und die damit verbundenen Emissionen berücksichtigt werden. Professor Stephan Krinke, Leiter der Abteilung für Nachhaltigkeitsmanagement und Life-Cycle Engineering am Fraunhofer IST, betont die Wichtigkeit der Emissionsvermeidungskosten. Diese Kosten geben Aufschluss darüber, wie viel Geld investiert werden muss, um eine Tonne Treibhausgase einzusparen. Oft gibt es kostengünstige Maßnahmen, die erhebliche Einsparungen ermöglichen, wie zum Beispiel die Ersetzung energieintensiv produzierter Rohstoffe oder die Implementierung energieeffizienter Produktionsmethoden.
Die Entscheidung für bestimmte Klimaschutzmaßnahmen hängt jedoch nicht nur von der Wirtschaftlichkeit ab; auch politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen spielen eine entscheidende Rolle. Die entwickelten Modelle berücksichtigen verschiedene Szenarien, die sich aus allgemeinen und unternehmensspezifischen Parametern ableiten.
Das erste Szenario, das als progressiv bezeichnet wird, beschreibt eine Umgebung, in der gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen einen starken Klimaschutz fördern. Hohe CO2-Preise und eine große Verfügbarkeit emissionsreduzierter Technologien ermöglichen es Unternehmen, viele ihrer Klimaschutzmaßnahmen rasch umzusetzen. Im Gegensatz dazu steht das konservative Szenario, in dem die Rahmenbedingungen sich verschlechtern. Sinkende CO2-Preise und ein geringes Angebot an alternativen Technologien führen dazu, dass nur wenige Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Das dritte Szenario, bekannt als „Business as usual“, beschreibt den Status quo mit moderaten CO2-Preisen und stabilen Kosten für fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien.
Die von den Fraunhofer-Forschern entwickelte Methodik ist für Unternehmen aller Branchen anwendbar, vorausgesetzt, dass eine solide Datengrundlage vorhanden ist. Die Wissenschaftler bieten Unterstützung bei der Analyse und der Entwicklung von individuellen Klimaschutzstrategien. Durch eine ganzheitliche Evaluierung der Klimaschutzmaßnahmen und die Priorisierung der wirtschaftlichsten Optionen können Unternehmen nicht nur ihren ökologischen Fußabdruck verringern, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Insgesamt zeigt sich, dass Klimaschutz nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Chance für Unternehmen darstellt, nachhaltiger zu wirtschaften und gleichzeitig zur Erreichung globaler Klimaziele beizutragen.