Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben faszinierende neue Erkenntnisse über die genetischen Mechanismen der Fortpflanzung von Roggen gewonnen. Ihre Forschung beleuchtet, wie Pflanzen in der Lage sind, ihre genetische Information neu zu kombinieren und wie Umweltfaktoren, insbesondere Nährstoffmangel, diesen Prozess beeinflussen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „New Phytologist“ veröffentlicht.
Im Rahmen der Untersuchung analysierten die Forscher eine große Roggenpopulation und untersuchten die genetischen Grundlagen sowie die Umweltplastizität der meiotischen Rekombination. Hierzu verwendeten sie über 500 Roggenpflanzen, die entweder unter optimalen Bedingungen oder unter Nährstoffmangel kultiviert wurden. Die Pflanzen stammen aus der Genbank des IPK sowie aus kommerziell verfügbaren Sorten. Der Anbau fand auf dem Gelände des „Ewigen Roggenanbaus“ der Martin-Luther-Universität statt, einem seit 1878 bestehenden Versuchsfeld, das verschiedene Düngesysteme über lange Zeiträume vergleicht.
Dr. Steven Dreissig, Leiter der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Reproduktionsgenetik“, hebt hervor, dass das Gelände besonders geeignet war, da der Nährstoffmangel dort über einen langen Zeitraum hinweg stabil war. Die Forscher sammelten Pollen von den Pflanzen und sequenzierten die Zellkerne von mehr als 3.000 einzelnen Spermien, die von 584 Roggenindividuen stammten. Ziel war es, die Anzahl und die Position der sogenannten Crossover-Ereignisse zwischen den elterlichen Chromosomen zu bestimmen, die für die genetische Vielfalt entscheidend sind.
Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie ist, dass bei Nährstoffmangel die genetische Rekombination der Pflanzen signifikant reduziert wird. Christina Wäsch, die Erstautorin der Studie, veranschaulicht dies mit einem Vergleich: Wenn man Karten nur unzureichend mischt, entstehen weniger neue Kombinationen. Die Resultate zeigen, dass die modernen Zuchtsorten stabiler auf Nährstoffmangel reagieren, während alte Sorten und Wildtypen deutlich empfindlicher sind. Dies deutet darauf hin, dass die genetische Diversität eine entscheidende Rolle spielt, wenn es darum geht, wie Pflanzen mit Veränderungen in ihrer Umwelt umgehen.
Zusätzlich untersuchten die Wissenschaftler die genetischen Grundlagen der Rekombination und fanden heraus, dass diese nicht von einem einzelnen Hauptgen gesteuert wird, sondern von vielen kleinen genetischen Regionen, die zusammenwirken. Bisher wurden über 40 Allele und zwei mögliche Kandidatengene identifiziert. Während die Forscher nun wissen, wo sich diese genetischen Schalter auf den Chromosomen befinden, ist die genaue Funktion vieler dieser Gene noch nicht vollständig verstanden. Dr. Dreissig betont jedoch, dass diese Erkenntnisse ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der genetischen Architektur und der Umweltplastizität der meiotischen Rekombination darstellen.
Im Gegensatz zu früheren Studien, die sich auf einzelne oder wenige Genotypen konzentrierten, ermöglicht diese Forschung eine umfassende Analyse der genetischen Effekte in einer großen und genetisch vielfältigen Population. Die Identifikation der Gene, die die Rekombination unter Stressbedingungen steuern, könnte in Zukunft von großer Bedeutung für die Pflanzenzüchtung sein. Dr. Dreissig ist optimistisch, dass die gezielte Beeinflussung der Rekombination unter Stressbedingungen die Entwicklung neuer, widerstandsfähiger Nutzpflanzen beschleunigen kann.
Insgesamt zeigt die Studie, dass die genetische Anpassungsfähigkeit von Roggen unter Stressbedingungen ein komplexes Zusammenspiel verschiedener genetischer Faktoren ist. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur für die Züchtung von Roggen, sondern auch für andere Kulturpflanzen von Bedeutung sein, um deren Resilienz gegenüber klimatischen und ökologischen Herausforderungen zu stärken.
                        
                        
                        
                        
                        
                        
                        
                        
                        
                        

















































