Die Steinnelke und ihre genetischen Geheimnisse im Angesicht des Klimawandels**

Die Steinnelke und ihre genetischen Geheimnisse im Angesicht des Klimawandels**

Die Steinnelke, eine bemerkenswerte Alpenpflanze, könnte über einen entscheidenden genetischen Schlüssel verfügen, der ihr Überleben in einer sich erwärmenden Welt sichert. Wissenschaftler der ETH Zürich haben herausgefunden, dass zwei alte Genvarianten in der Steinnelke eine zentrale Rolle bei der Anpassung an klimatische Veränderungen spielen. Diese Varianten beeinflussen den Zeitpunkt der Blüte und sind essenziell für das Fortbestehen der Art in einem sich wandelnden Klima.

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Klima, insbesondere in den Alpen, dramatisch verändert. Diese Veränderungen stellen eine enorme Herausforderung für die dort lebenden Organismen dar. Um nicht auszusterben, müssen diese Pflanzen entweder in höher gelegene Gebiete migrieren oder sich schnell an die steigenden Temperaturen anpassen. Ein Beispiel für eine solche Anpassungsfähigkeit ist die Steinnelke (Dianthus sylvestris), die in Höhenlagen zwischen 800 und 2400 Metern verbreitet ist und beeindruckende Anpassungsmechanismen zeigt.

Forschungen zeigen, dass es signifikante Unterschiede im Blühverhalten der Steinnelken gibt, je nachdem, ob sie in höheren oder niedrigeren Lagen wachsen. Während die Pflanzen in den Alpen unmittelbar nach der Schneeschmelze im Juni blühen, beginnen ihre Verwandten in den Tälern bereits im Mai mit der Blüte. Dieses unterschiedliche Blühverhalten stellt eine Anpassung an die jeweiligen klimatischen Bedingungen dar. In tieferen Lagen, wo die Wachstumsperiode länger ist, sind die Tal-Steinnelken eher „Spätzünder“, was bedeutet, dass sie mehr Zeit benötigen, um Blüten zu entwickeln und Samen zu produzieren.

Die Forschungsgruppe um Professor Alex Widmer hat seit etwa einem Jahrzehnt das genetische Verhalten der Steinnelke untersucht, um zu verstehen, wie sich diese Pflanze an frühere Klimaveränderungen angepasst hat und welche Implikationen dies für ihre Reaktion auf den aktuellen Klimawandel hat. Ihre neuesten Erkenntnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Populationen der Steinnelke aus verschiedenen Höhenlagen im Wallis untersucht. Insgesamt wurden dabei 1000 Individuen analysiert, um spezifische Gene zu identifizieren, die für das Blühverhalten entscheidend sind. Ein zentrales Gen, das in diesem Zusammenhang entdeckt wurde, ist das DsCEN/2, das für die Steuerung des Blühzeitpunkts verantwortlich ist. Es existieren zwei Varianten dieses Gens, auch Allele genannt, die sich bei den unterschiedlichen Populationen unterscheiden. Die Tal-Steinnelken haben überwiegend das „warme“ Allel, während die Berg-Steinnelken mit dem „kalten“ Allel ausgestattet sind. Das warme Allel fördert ein langsameres Blühverhalten und ein verbessertes Wachstum, was in den längeren, wärmeren Sommern vorteilhaft ist.

Die Wissenschaftler entdeckten, dass diese genetischen Variationen sehr alt sind und wahrscheinlich sogar vor der Entstehung der Steinnelke selbst existierten. Sie vermuten, dass diese Allele während einer Evolutionären Radiation vor ein bis zwei Millionen Jahren entstanden sind, als sich verschiedene Arten innerhalb der Gattung Dianthus entwickelten. Über diese Zeitspanne hinweg wechselten sich Eiszeiten und Warmzeiten ab, was den Pflanzen erlaubte, sich an die sich verändernden Klimabedingungen anzupassen.

Ein wichtiger Aspekt der Studie ist, dass die genetische Variation durch Rekombination während der sexuellen Fortpflanzung neu organisiert wird. Dies ermöglicht der Steinnelke, sich schneller an neue Umweltbedingungen anzupassen, als es durch Mutationen allein möglich wäre. Die Forscher glauben, dass diese Mechanismen der genetischen Vielfalt besonders in Zeiten rascher evolutionärer Veränderungen, wie sie bei den Dianthus-Arten zu beobachten sind, von Bedeutung sind.

Die genetischen Grundlagen der Steinnelke geben Anlass zur Hoffnung, dass diese Pflanze in der Lage ist, sich an die aktuellen klimatischen Herausforderungen anzupassen. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass das warme Allel auch in höheren Lagen vorhanden ist und sich dort möglicherweise weiter ausbreiten könnte, wenn die Temperaturen weiter steigen. Dennoch bleibt die Frage, ob andere alpine Pflanzen ähnliche Anpassungsfähigkeiten besitzen. Der Wissenschaftler Widmer betont, dass keine historische Warmphase mit der aktuellen Geschwindigkeit des Klimawandels vergleichbar ist und dass die Fähigkeit der Steinnelke, sich schnell genug anzupassen, noch weitere Forschung erfordert.

Der Erhalt großer, zusammenhängender Populationen ist entscheidend für das Überleben der Steinnelke in einer sich verändernden Umwelt. Kleine, isolierte Population