Fremde Pflanzenarten, die in Europa eingeführt wurden, zeigen eine bemerkenswerte Fähigkeit, sich in die bestehenden Ökosysteme einzufügen. Jüngste Forschungsergebnisse der Universität Leipzig, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und unter der Leitung von Dr. Ingmar Staude, belegen, dass die Integration nichtheimischer Pflanzen in heimische Nahrungsnetzwerke schneller erfolgt, als bislang vermutet. Dies geschieht unabhängig von der geografischen Herkunft der Pflanzen oder ihrer Verwandtschaft zu einheimischen Arten. Entscheidend ist vielmehr, wie lange die Pflanzen bereits in Europa etabliert sind und wie weit sie sich verbreitet haben.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift „Ecology Letters“ veröffentlicht wurde, stellt fest, dass sich mit der Zeit eine Vielzahl kleiner Pflanzenfresser wie Miniermotten, Gallmücken und Blattläuse auf diese nichtheimischen Pflanzen spezialisieren. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Interaktionen zwischen diesen Pflanzen und den heimischen Tieren zunehmend komplexer und vielfältiger werden. Insbesondere zeigte sich, dass Pflanzen, die seit mehreren Jahrhunderten in Europa wachsen, von einer breiten Palette von Pflanzenparasiten genutzt werden. Dies steht im Gegensatz zu der früheren Annahme, dass neu eingeführte Pflanzen keine nennenswerte Rolle im heimischen Nahrungsnetz spielen, da sie keine gemeinsame Evolutionsgeschichte mit den einheimischen Tieren aufweisen.
Die Ergebnisse der Studie sind besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass kleine Pflanzenfresser traditionell eine hohe Spezialisierung auf heimische Pflanzen aufweisen. Dr. Staude erklärt, dass die Beobachtungen zeigen, dass die kleinen Pflanzenfresser, die mit nichtheimischen Arten interagieren, oft generalistischer sind und ein breiteres Spektrum an Wirtspflanzen nutzen. Diese Feststellung deutet darauf hin, dass sich die Natur schneller an neue Pflanzenarten anpassen kann als bisher angenommen. Gleichzeitig wird jedoch auch deutlich, dass einheimische Pflanzenarten eine entscheidende Rolle für die Erhaltung der Diversität von spezialisierten Pflanzenfressern spielen.
Für die Studie wurden umfangreiche Daten aus einer paneuropäischen Datenbank genutzt, die über 127.000 Interaktionen zwischen 12.000 Pflanzenarten und 26.000 kleinen Pflanzenfressern erfasste. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter die Bachelor-Studierenden Lara Schulte und Miriam Wahl, kombinierten diese Informationen mit Details zur Verbreitung der Pflanzen, ihrem Einführungszeitpunkt, ihrer geografischen Herkunft sowie ihrer Verwandtschaft zu heimischen Arten. Statistische Modelle ermöglichten es ihnen, die Faktoren zu identifizieren, die bestimmen, wie gut nichtheimische Pflanzen in die ökologischen Netzwerke integriert werden.
Die Forschungsergebnisse haben weitreichende Implikationen für das Verständnis, wie neue Pflanzenarten in bestehende Ökosysteme eingebunden werden. Sie zeigen, dass sich ökologische Netzwerke im Laufe der Zeit an veränderte Pflanzenbestände anpassen können. Diese Erkenntnisse sind besonders wichtig im Kontext des Klimawandels, wo Artenwanderungen eine zunehmende Rolle spielen. Laut Dr. Staude können diese Informationen dazu beitragen, Risiken im Zusammenhang mit nichtheimischen Arten differenzierter zu bewerten, was für die Entwicklung von Naturschutz- und Managementstrategien von großer Bedeutung ist.
Die Studie wirft jedoch auch Fragen auf, die weiter untersucht werden müssen. Es bleibt unklar, welche spezifischen Arten von kleinen Pflanzenfressern mit den nichtheimischen Pflanzen in Kontakt treten, wie stark sie die Pflanzen schädigen und welche Auswirkungen dies auf die heimischen Arten hat. Solche Erkenntnisse könnten dazu beitragen, ein umfassenderes Verständnis darüber zu gewinnen, wie fremde Pflanzen in die bestehenden Ökosysteme integriert werden und welche ökologischen Veränderungen sich daraus ergeben.
Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die Anpassungsfähigkeit der Natur an Veränderungen in der Flora größer ist als bisher angenommen, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen für den Erhalt der Biodiversität birgt.


















































