Das Insektensterben in Europa: Ökonomische Folgen und Handlungsbedarf**

Das Insektensterben in Europa: Ökonomische Folgen und Handlungsbedarf**

Das dramatische Verschwinden von Insekten, insbesondere von Wildbestäubern, stellt eine ernsthafte Bedrohung für die europäische Landwirtschaft dar. Eine aktuelle Simulation der Universität Hohenheim in Stuttgart prognostiziert, dass ein hypothetisches Verschwinden dieser Bestäuber bis zum Jahr 2030 einen wirtschaftlichen Verlust von rund 24 Milliarden Euro in Europa zur Folge hätte. Diese Erkenntnisse verdeutlichen die zentrale Rolle, die Wildinsekten nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die globale Ernährungssicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand spielen.

Wildlebende Insekten sind für die Bestäubung zahlreicher Kulturpflanzen unverzichtbar. Ein Verlust dieser Bestäuber hätte weitreichende Auswirkungen, die über die Landwirtschaft hinausgehen. Das Forschungsteam unter der Leitung von Professor Arndt Feuerbacher hat in ihrer Simulation angenommen, dass bis 2030 eine Reduzierung der Insektenpopulation um 90 Prozent eintreten könnte, was einem vollständigen Zusammenbruch gleichkäme. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere bestäuberabhängige Kulturen wie Obst, Gemüse und Ölsaaten massiv unter Ertragsrückgängen leiden würden, während Pflanzen wie Getreide, die keine Bestäuber benötigen, kaum betroffen wären.

Insgesamt wird ein Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion in Europa um durchschnittlich vier Prozent erwartet. Für stark bestäuberabhängige Pflanzen könnte diese Zahl sogar auf etwa 13 Prozent ansteigen. Regionen wie Spanien und Teile Osteuropas, die besonders auf Wildbestäuber angewiesen sind, könnten sogar Ertragseinbußen von über 20 Prozent verzeichnen. Diese Ertragsverluste würden zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise führen, während die Verfügbarkeit vieler Produkte abnimmt. Zwar könnten einige Produzenten von höheren Preisen profitieren, doch die gesamtwirtschaftlichen Verluste überwiegen deutlich, was zu einem geschätzten Schaden von 24 Milliarden Euro in Europa bis 2030 führen würde.

Die Auswirkungen des Insektensterbens wären nicht nur regional, sondern auch global spürbar. Ein Rückgang der Erträge in Europa würde zu einem Anstieg der Nachfrage nach Importen führen, wodurch die EU von einem Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur vieler Obst- und Gemüsearten werden könnte. Während Länder in Asien sowie Mittel- und Südamerika etwa 80 Prozent der zusätzlichen europäischen Nachfrage decken könnten, würden Verbraucher weltweit unter höheren Preisen leiden. Besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen in ärmeren Ländern wären aufgrund des höheren Anteils ihres Einkommens, den sie für Lebensmittel ausgeben müssen, stark betroffen. Der weltweite wirtschaftliche Verlust könnte schätzungsweise über 34 Milliarden Euro betragen.

Die sinkende Verfügbarkeit nährstoffreicher Lebensmittel wie Obst und Gemüse würde auch die Ernährungssicherheit in Europa gefährden. Diese Lebensmittel sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ernährungsphysiologisch von großer Bedeutung. Eine Verringerung der Verfügbarkeit von Vitamin A und Folat ist zu erwarten, was besonders in Regionen wie Süd- und Osteuropa problematisch ist, wo bereits Millionen von Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen sind.

Die Studie hebt auch die Diskrepanz zwischen den ökologischen Herausforderungen und der politischen Unterstützung für Biodiversitätsschutzmaßnahmen hervor. Länder, die am stärksten von einem Rückgang der Wildbestäuber betroffen wären, zeigen oft weniger Unterstützung für wichtige EU-Verordnungen zum Schutz der Biodiversität. Diese politische Haltung könnte auf eine stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit von der Landwirtschaft zurückzuführen sein, was das Abstimmungsverhalten beeinflusst.

Es ist offensichtlich, dass ein Verlust der Wildbestäuber nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen hat, sondern auch das gesamte Ökosystem gefährdet. Diese Insekten sind entscheidend für die Fortpflanzung vieler Wildpflanzen, die Stabilität von Nahrungsketten und die allgemeine Gesundheit von Ökosystemen. Ein Rückgang der Bestäuber würde zudem zu einer Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen führen, was die Biodiversität weiter gefährdet.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, betonen die Forscher die Notwendigkeit, die Lebensräume von Wildbestäubern zu schützen. Ein Teil der jährlichen wirtschaftlichen Verluste könnte durch Investitionen in eine biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft, einschließlich der Förderung von Blühstreifen und extensiv genutzten Flächen, gemildert oder sogar umgekehrt werden. Der Schutz und die Förderung von Wildbestäubern sind daher von entscheidender Bedeutung für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Landwirtschaft in Europa.