Schutzgebiete sind nicht nur Rückzugsorte für Flora und Fauna, sondern auch wichtige Lebensräume für Menschen. Diese Erkenntnis ist das Ergebnis einer umfassenden Studie, die von einem interdisziplinären Forschungsteam der Universitäten Göttingen, Kassel, Jyväskylä in Finnland und Stockholm in Schweden durchgeführt wurde. Die Untersuchung fokussierte sich auf die verschiedenen Narrative, die menschliche Beziehungen zur Natur in geschützten Landschaften widerspiegeln.
Das Team führte 38 Interviews mit Personen, die in oder in der Nähe von fünf Schutzgebieten des Natura-2000-Netzwerks im Landkreis Göttingen leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Die Zielgruppen umfassten sowohl Anwohner als auch Menschen, die in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd oder im Naturschutz tätig sind. Die Erstautorin der Studie, Dr. Marion Jay, betont die Absicht der Forschung: „Wir wollten verstehen, wie Menschen ihre Beziehung zur Natur wahrnehmen und wie Schutzgebiete diese Verbindung beeinflussen.“ Dabei zeigte sich, dass die Erzählungen der Befragten ein breites Spektrum an Verbundenheit mit der Natur abdecken, das Emotionen, Wissen und institutionelle Beziehungen umfasst.
Die Analyse der Interviews führte zur Identifizierung von fünf zentralen Narrativen: Lernen, regionales Erbe, Erholung, multifunktionale Nutzung und Zusammenarbeit. Diese Narrative verdeutlichen, wie eng Naturerfahrungen und das Gefühl von Verantwortung miteinander verknüpft sind. Viele Befragte berichteten beispielsweise von den positiven Effekten von Spaziergängen in der Natur, die nicht nur Achtsamkeit fördern, sondern auch das Bewusstsein für die lokale Umwelt stärken. Waldgenossenschaften wurden als wichtige Elemente der Gemeinschaft beschrieben, die das Gefühl der Zugehörigkeit zur Region fördern. Auch die Beschäftigten in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft sehen sich oft als „Hüter“ der Landschaft und der biologischen Vielfalt.
Besonders hervorzuheben ist, dass einige der praktizierten Aktivitäten, wie nachhaltige Weidewirtschaft, nicht nur zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen, sondern auch die wirtschaftliche Grundlage der landwirtschaftlichen Betriebe sichern. Dies fördert ein Gefühl der Verantwortung gegenüber der Natur und zeigt, wie menschliches Handeln sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll gestaltet werden kann. Dr. Jay hebt hervor: „Das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge ist insbesondere in Schutzgebieten von Bedeutung, wo menschliche Aktivitäten die Landschaft und die biologische Vielfalt beeinflussen.“
Die Forscher sind überzeugt, dass narrative Ansätze, also Methoden zur Sammlung und Analyse von Geschichten über persönliche Erfahrungen, im Naturschutz von großem Nutzen sein können. Sie ermöglichen es, lokale Erlebnisse sichtbar zu machen und bieten einen Rahmen, um Konflikte besser zu verstehen und gemeinsame Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung zu finden. Durch das Teilen von Geschichten können die Stimmen der Menschen, die in und um Schutzgebiete leben, Gehör finden und dazu beitragen, Schutzgebiete als lebendige und integrale Bestandteile von Kulturlandschaften zu bewahren.
Die Studie empfiehlt, Dialogräume in Organisationen zu schaffen und langfristige Kooperationen vor Ort zu fördern. So können Schutzgebiete nicht nur als Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen, sondern auch als Orte der Gemeinschaft und des sozialen Miteinanders gestärkt werden. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass, wenn die Perspektiven und Geschichten der Menschen ernst genommen werden, Schutzgebiete zu Orten werden können, an denen ökologische und soziale Ziele Hand in Hand gehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schutzgebiete weit mehr sind als nur Naturschutzflächen. Sie sind bedeutende Lebensräume, die Identität stiften, Wissen über die Natur fördern und Möglichkeiten für Erholung und gemeinschaftliches Handeln bieten. Damit spielen sie eine zentrale Rolle in der Beziehung zwischen Mensch und Natur und sind essenziell für eine nachhaltige Zukunft.


















































