Die Natur wird oft mit Wäldern, Wiesen und einer Vielfalt an Lebensformen assoziiert, doch in der politischen Diskussion, insbesondere in der Agrarpolitik der Europäischen Union (EU), wird sie häufig nur als wirtschaftliche Ressource betrachtet. Eine neue Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), die in der Fachzeitschrift People and Nature veröffentlicht wurde, beleuchtet, wie die EU eine einseitige Sichtweise auf die Natur im Rahmen ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) entwickelt hat. Die Analyse zeigt, dass ökonomische Argumente dominieren, während andere wichtige Aspekte, wie die Natur als Lebensraum oder kulturelle Identität, weitgehend ignoriert werden. Diese einseitige Betrachtung könnte die Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen und die gesamte Agrarpolitik negativ beeinflussen.
Die Studie stellt die zentrale Frage: Was ist uns die Natur wert? Für viele Menschen ist die Natur ein Lebensraum, ein Ort der Erholung und ein Teil ihres kulturellen Erbes. In der EU-Agrarpolitik jedoch wird der Naturwert überwiegend aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet. Die ZALF-Forscher analysierten verschiedene politische Dokumente, die die GAP betreffen, und kamen zu dem Ergebnis, dass die Sichtweise der EU zu stark auf den Nutzen der Natur ausgerichtet ist. In den untersuchten GAP-Dokumenten wurden hauptsächlich sogenannte instrumentelle Werte hervorgehoben. Dies sind Auffassungen, die sich auf den Nutzen der Natur konzentrieren – sei es als Ressource, Dienstleistung oder Produktivitätsfaktor. Im Gegensatz dazu spielen Werte, die die Natur als eigenständiges Gut oder als Teil kultureller Beziehungen betrachten, eine untergeordnete Rolle.
Interessanterweise zeigen die deutschen Strategieansätze in der Agrarpolitik eine etwas differenziertere Perspektive. Hier werden häufig auch Schutz- und Beziehungswerte thematisiert, die sich mit Verantwortungsbewusstsein, ethischen Überlegungen und der Verbundenheit zur Heimat beschäftigen. Die Studie hat gezielt zentrale Dokumente untersucht, die das politische Denken prägen, darunter zwei offizielle GAP-Dokumente der EU sowie den deutschen Strategieplan. Durch diese Analyse wird deutlich, welche Argumente und Begriffe in der politischen Sprache verwendet werden, um über die Natur zu sprechen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Untersuchung nicht den gesamten Bereich der Agrarpolitik abdeckt, sondern vielmehr einen Einblick in die zugrunde liegenden Denkweisen gibt.
Iven Froese, der Erstautor der Studie, hebt hervor, dass die Überbetonung ökonomischer Argumente problematisch ist. Viele Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich mit der Natur verbunden und sehen es als ihre Verantwortung an, die natürlichen Grundlagen der Landwirtschaft, wie die Bodengesundheit und Biodiversität, zu erhalten. Diese Perspektive sollte auch in den politischen Diskurs einfließen. Der einseitige Fokus der EU auf wirtschaftliche Aspekte kann dazu führen, dass politische Maßnahmen in der Praxis als unangemessen oder ungerecht wahrgenommen werden, was ihre Akzeptanz und Wirksamkeit gefährdet.
Die Autoren der Studie plädieren daher für einen Wandel in der politischen Auffassung. Sie fordern einen Übergang von einer stark utilitaristischen Sichtweise hin zu einer vielfältigeren und gerechteren Bewertung der Natur. Insbesondere auf regionaler Ebene, wie in Deutschland, könnte dieser Wandel bereits jetzt initiiert werden. Eine solche Veränderung würde nicht nur zu einer gerechteren Agrarpolitik führen, sondern auch deren Effektivität steigern.
Zusammenfassend belegt die Studie, dass die derzeitige EU-Agrarpolitik einem einseitigen Verständnis von Natur verhaftet ist, das vor allem ökonomische Überlegungen priorisiert. Um eine nachhaltige und akzeptierte Agrarpolitik zu entwickeln, ist es notwendig, auch andere Wertvorstellungen zu berücksichtigen und die Beziehung der Menschen zur Natur in den Mittelpunkt zu stellen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind ein wichtiger Schritt in Richtung einer integrativeren und gerechteren Agrarpolitik in Europa.


















































