Verbesserung der Binnenschifffahrt durch innovative Technologien**

Verbesserung der Binnenschifffahrt durch innovative Technologien**

Die Binnenschifffahrt hat in Europa bislang einen relativ geringen Anteil am Transportwesen, der bei etwa sechs Prozent liegt. Um diese Situation zu verändern, arbeitet das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML im Rahmen des EU-Projekts CRISTAL mit 15 internationalen Partnern zusammen. Ziel des Projekts ist es, durch den Einsatz von digitalen Zwillingen und fortschrittlichen Sensortechnologien die Transportkapazitäten zu erhöhen und die Logistikprozesse auf Binnenwasserstraßen zu optimieren. In einem Interview erläutern die Forscher Björn Krämer und Tammo Märtens, wie diese Technologien zur Verbesserung der Binnenschifffahrt beitragen können.

Ein zentrales Problem für die Binnenschifffahrt ist die unzureichende Infrastruktur. Viele Wasserwege sind nicht ausreichend ausgebaut, was eine zuverlässige Nutzung erschwert. Dazu kommen schwankende Wasserstände, die die Befahrbarkeit der Flüsse beeinträchtigen, sowie das Fehlen digitaler Steuerungssysteme. Das CRISTAL-Projekt hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, den Güterverkehr auf Binnenwasserstraßen auch unter schlechten Wetterbedingungen zu ermöglichen. Die Forscher möchten die Attraktivität und Zuverlässigkeit der Binnenschifffahrt steigern, sodass Unternehmen eher bereit sind, ihre Transporte auf das Schiff zu verlagern. Langfristig streben sie an, den Warentransport auf diesen Wasserwegen durch geeignete Maßnahmen um bis zu 20 Prozent zu erhöhen.

Die Forscher konzentrieren sich auf weniger genutzte Flüsse wie die Weichsel und die Oder in Polen, den Po in Italien sowie die Mosel und die Seine in Frankreich. In diesen Regionen findet gegenwärtig kaum Güterverkehr statt. Durch die im Projekt entwickelten Demonstratoren sollen künftig effizientere Routen- und Infrastrukturplanungen ermöglicht werden, was bereits in Tests nachgewiesen werden konnte. Die gewonnenen Erkenntnisse sind dabei auf andere Binnenflüsse in Europa übertragbar.

Die Herausforderungen variieren je nach Fluss. Während große Wasserstraßen bereits über Informationssysteme verfügen, fehlen diese oft bei kleineren Flüssen. Dies führt zu einer geringen Transparenz und erschwert die Navigation. So ist beispielsweise der Po durch seine ständig wechselnden Sandbänke in seiner Befahrbarkeit schwer vorhersehbar. Der Mangel an Echtzeitinformationen über die Weichsel in Polen hat ebenfalls dazu geführt, dass dort kaum Schiffsverkehr stattfindet.

Um die Nutzung der kleineren Flüsse zu verbessern, planen die Forscher, umfassende Informationen über Wasserstände, Strömungen, die Frequentierung der Wasserstraßen sowie den Zustand der vorhandenen Infrastruktur bereitzustellen. Hierbei kommen intelligente Verkehrssteuerungssysteme zum Einsatz. Sensoren und digitale Zwillinge werden genutzt, um kritische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und alternative Transportmöglichkeiten zu planen. So erfassen intelligente Bojen mit Sensoren und GPS wichtige Parameter und leiten diese Informationen an digitale Zwillinge weiter, um die Schiffbarkeit vorherzusagen und Engpässe rechtzeitig zu identifizieren.

Digitale Zwillinge spielen eine zentrale Rolle im CRISTAL-Projekt. Sie erfassen kontinuierlich Daten aus Sensoren, die an verschiedenen Infrastrukturkomponenten wie Schleusen und Brücken installiert sind. Diese virtuellen Abbilder können auch Vorhersagen über mögliche Schäden an den Infrastrukturen der Wasserstraßen treffen. Die Forscher haben drei spezifische digitale Zwillinge entwickelt: DT „lock“ für die Überwachung von Schleusen, DT „buoy“ für die Zustandsüberwachung der Wasserstraßen und DT „water level“, der die Schiffbarkeit überwacht und prognostiziert.

Die digitale Darstellung dieser Systeme ist dynamisch, da sie durch Sensoren regelmäßig aktualisiert wird. In der Verkehrslogistik kann ein digitaler Zwilling nicht nur ein Logistikareal, sondern auch komplette Logistikprozesse abbilden. Die im Rahmen von CRISTAL entwickelten Lösungen wurden bereits in Pilotregionen getestet, und die Forscher sind zuversichtlich, dass sie die Logistikprozesse in der Binnenschifffahrt verbessern und ungenutztes Potenzial ausschöpfen werden.

Das Projekt CRISTAL, das von der EU im Rahmen des Horizon Europe-Programms gefördert wird, läuft bis Dezember 2025 und umfasst Partner aus mehreren europäischen Ländern. Durch die Innovationskraft und den Einsatz neuer Technologien soll die Binnenschifffahrt als nachhaltige Transportalternative gestärkt werden.