Die Wälder, die sich nördlich der Alpen erstrecken, erlebten in der Antike eine signifikante Umgestaltung durch menschliche Aktivitäten. Eine aktuelle internationale Studie, die unter der Leitung der Universität Freiburg durchgeführt wurde, zeigt auf, wie die Expansion des Römischen Reiches zur Abholzung und Übernutzung dieser Wälder führte. Diese Forschung, die in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde, basiert auf der Analyse von über 20.000 Holzfunden, die aus verschiedenen Regionen West- und Mitteleuropas stammen.
Die Untersuchung deckt einen Zeitraum ab, der von der jüngeren Eisenzeit bis ins Frühmittelalter reicht, also etwa von 300 v. Chr. bis 700 n. Chr. Dies ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Veränderungen in der Waldbewirtschaftung und den Holzressourcen über verschiedene Epochen hinweg zu vergleichen. Insbesondere wird die intensive Nutzung der Wälder während der römischen Herrschaft (ca. 1. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) beleuchtet.
Laut Dr. Bernhard Muigg, dem Erstautor der Studie und wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universität Freiburg, führte die Ausdehnung des Römischen Reiches, unterstützt durch eine verbesserte Transportinfrastruktur, zur Erschließung zuvor ungenutzter Waldgebiete. Diese Entwicklung ermöglichte den Zugang zu alten Waldbeständen, die als wichtige Quelle für Bauholz dienten. Doch mit der Zeit wurde deutlich, dass das Durchschnittsalter der Bäume ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. abnahm. Dies deutet darauf hin, dass eine Übernutzung der Wälder stattfand, was besonders besorgniserregend war, da gleichzeitig alte Baumarten verschwanden.
Die Daten der Studie zeigen auch, dass die nordalpinen Wälder bereits vor der römischen Besetzung stark beansprucht wurden. Während der römischen Herrschaft wurden jedoch vor allem ältere Bäume gefällt, was auf eine gezielte Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen hinweist. Die politische Instabilität, die im 3. Jahrhundert n. Chr. aufkam, wird durch einen Rückgang des Warenaustauschs und eine Abnahme des Holztransports sichtbar. Insbesondere die Verringerung der Funde von Nadelhölzern und aus Holz gefertigten Transportbehältnissen wie Fässern deutet auf eine Krise hin.
In der Spätantike, die etwa vom späten 3. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. reicht, kam es jedoch zu einer bemerkenswerten Wiederbewaldung. Diese Erholung der Wälder kann indirekt durch das Wachsen der verbliebenen alten Bäume im Frühmittelalter nachgewiesen werden. Dr. Muigg betont, dass die gesammelten Daten einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Erforschung der Antike leisten. Sie erweitern das Verständnis für die ökologischen und sozioökonomischen Folgen der römischen Expansion und bieten neue Einblicke in die langfristigen Wechselwirkungen zwischen menschlichem Handeln und der Dynamik von Wäldern.
Die Ergebnisse dieser umfassenden Studie eröffnen nicht nur neue Perspektiven auf die historischen Wechselwirkungen zwischen Menschen und Natur, sondern werfen auch Fragen zur Nachhaltigkeit und Ressourcenbewirtschaftung auf, die auch in der heutigen Zeit von Bedeutung sind. Die intensiven Eingriffe in die Waldlandschaften während der Antike zeigen, wie menschliche Aktivitäten die Umwelt nachhaltig beeinflussen können.
Insgesamt zeigt die Forschung, dass die Wälder nördlich der Alpen in der Antike nicht nur passive Elemente der Landschaft waren, sondern aktiv durch menschliche Handlungen geformt und verändert wurden. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, historische Umweltveränderungen zu verstehen, um aus der Vergangenheit zu lernen und nachhaltige Praktiken für die Zukunft zu entwickeln.
