Chronotypen bei Fischen: Frühaufsteher und Nachteulen im Wasser**

Chronotypen bei Fischen: Frühaufsteher und Nachteulen im Wasser**

Die innere Uhr eines Lebewesens beeinflusst maßgeblich dessen Aktivitätsmuster. So gibt es Menschen, die als „Lerchen“ früh aufstehen und ihre besten Leistungen am Morgen erbringen, während andere als „Eulen“ erst spät abends richtig in Schwung kommen. Dieses Phänomen wird in der Wissenschaft als Chronotyp bezeichnet. Ein Forschungsteam, an dem auch das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt ist, hat nun herausgefunden, dass dieses Konzept nicht nur für Menschen, sondern auch für verschiedene Fischarten gilt. In einer umfassenden Studie wurden die Aktivitätsmuster von Wildfischen analysiert, und es stellte sich heraus, dass auch hier Unterschiede zwischen „Frühaufstehern“ und „Spätaufstehern“ bestehen.

Die Erkenntnisse, die in der Fachzeitschrift Fish and Fisheries veröffentlicht wurden, basieren auf der Auswertung hochauflösender Aktivitätsdaten von 34 verschiedenen Fischarten. Die Forschungsgruppe, zu der auch Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin gehört, verwendete biotelemetrische Methoden. Dabei trugen die Fische Sender, die es ermöglichten, ihre Bewegungen und Aktivitäten genau zu verfolgen. Diese Technologien erlauben es, detaillierte Daten über die Schwimmgeschwindigkeit, -tiefe und die Aufenthaltsorte der Fische zu sammeln, ohne dass die Tiere dabei gestört werden.

Die Analyse zeigte, dass unter den untersuchten Fischarten individuelle Unterschiede in Bezug auf den Beginn und das Ende der täglichen Aktivität bestehen. Diese Unterschiede sind nicht nur bemerkenswert, sondern auch systematisch und wiederholbar. Bei den Forellen beispielsweise war die Spannweite der Aktivitätszeiten besonders groß. Einige Forellen waren bereits fünf Stunden vor Sonnenaufgang aktiv, während andere erst fünf Stunden nach Sonnenaufgang ihre Aktivitäten begannen. Dies deutet darauf hin, dass die Chronotypen bei Forellen sehr ausgeprägt sind.

Karpfen zeigten ebenfalls interessante Muster. Hier war vor allem der Zeitpunkt des Aktivitätsendes variabel: Einige Karpfen zogen sich bereits drei Stunden nach Sonnenuntergang zurück, während andere erst neun Stunden später zur Ruhe kamen. Dies zeigt, dass innerhalb einer Art signifikante Unterschiede im Aktivitätsverhalten existieren können. Bei den Zandern, die grundsätzlich als nachtaktive Fische gelten, fiel auf, dass größere und ältere Exemplare tendenziell früher in der Nacht zur Ruhe kamen als ihre jüngeren Artgenossen.

Ein besonders strenges Tagesrhythmusverhalten zeigte der rote Zackenbarsch, ein Meeresfisch, der sehr klare Wach- und Ruhezeiten aufwies. Die Forschungsergebnisse unterstützen somit die Klassifizierung von Fischen in „Morgen- und Abendtypen“, ähnlich wie es bei Menschen der Fall ist. Laut Prof. Dr. Arlinghaus ist dieser Befund bemerkenswert, da die Existenz von Chronotypen bei Fischen bis jetzt nur selten untersucht wurde.

Die Verwendung von hochauflösenden Telemetrie- und Biologging-Methoden hat es den Forschern ermöglicht, präzise und unverfälschte Daten über die Aktivitätsmuster der Fische zu sammeln. Solche Informationen sind entscheidend, um die Lebensweise und das Verhalten der Fische im natürlichen Habitat besser zu verstehen. Die Studienergebnisse könnten auch für Angler von Bedeutung sein: Wenn Angler wissen, zu welchen Zeiten bestimmte Fischarten am aktivsten sind, können sie ihre Fangmethoden effektiver anpassen. Beispielsweise könnten Fische, die früh aktiv werden, leichter gefangen werden, wenn Angler am Morgen ihre Köder ins Wasser lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschungsergebnisse nicht nur grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über das Verhalten von Fischen liefern, sondern auch praktische Implikationen für die Fischerei und den Naturschutz haben. Die Identifizierung von Chronotypen bei Fischen könnte dazu beitragen, die Auswirkungen der Überfischung auf die Aktivitätsmuster von Fischpopulationen besser zu verstehen und somit nachhaltige Fangmethoden zu entwickeln.