Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass an einem durchschnittlichen Sommertag schätzungsweise 100 Billionen Insekten über dem Himmel der Vereinigten Staaten fliegen. Diese beeindruckende Zahl stammt von Forschenden der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und deren amerikanischen Kollegen, die mithilfe von Wetterradaren erstmals eine umfassende Schätzung der Fluginsekten über dem US-amerikanischen Festland durchgeführt haben. Die Untersuchung wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht.
Die Wissenschafter verwendeten Daten von 140 Wetterradaren, um die Anzahl der fliegenden Insekten landesweit abzuschätzen. Dabei stellte sich heraus, dass die Insektenpopulation in den letzten zehn Jahren insgesamt stabil geblieben ist, jedoch regionale Unterschiede in der Dichte festzustellen waren. In einigen Gebieten war ein signifikantes Anwachsen der Insektenpopulationen zu beobachten, während andere Regionen einen drastischen Rückgang verzeichneten. Die Erkenntnisse zeigen, dass vor allem die Wintertemperaturen einen Einfluss auf die Insektenpopulationen haben. In Gebieten mit milderen Wintertemperaturen kam es häufig zu einem Rückgang der Insektenzahlen, was auf die temperaturempfindlichen Lebenszyklen vieler Insektenarten zurückzuführen ist.
Die Forschung zur Insektenpopulation ist von großer Bedeutung, da Insekten eine wesentliche Rolle im Ökosystem spielen, sowohl als Bestäuber als auch als Nahrungsquelle für viele Tiere. Dennoch ist der Lebensraum, in dem diese Insekten existieren, relativ unerforscht. Traditionell hatte die Überwachung von Insektenpopulationen häufig einen begrenzten Fokus auf bestimmte Arten oder lokale Gebiete, was die Fähigkeit einschränkte, umfassende Trends in der Insektenvielfalt zu erkennen.
Die innovative Methode, Wetterradare zur Insektenüberwachung zu nutzen, stellt einen bedeutenden Fortschritt dar. Diese Radargeräte sind in der Lage, nicht nur Wolken und Niederschläge, sondern auch alle anderen Objekte im Luftraum zu erkennen. Algorithmen filtern die spezifischen Signale der Insekten heraus, die charakteristische Flugmuster hinterlassen. In den USA sind die Wetterradardaten frei zugänglich, was den Wissenschaftlern ermöglichte, die erste umfassende Schätzung der fliegenden Insekten über dem US-amerikanischen Festland zu erstellen.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es jedoch einige Einschränkungen. Die Radargeräte sind nicht in der Lage, spezielle Insektenarten zu identifizieren. Vorangegangene Studien haben gezeigt, dass gerade empfindliche oder seltene Arten durch Umweltveränderungen gefährdet sind, während häufige Arten tendenziell zunehmen. Daher ist es wichtig, die Radardaten mit anderen Datensätzen zu kombinieren, etwa durch lokale Erhebungen oder Citizen-Science-Projekte, um ein vollständigeres Bild der Insektenvielfalt zu erhalten.
Die Radartechnologie bietet jedoch eine wertvolle Grundlage für die zukünftige Überwachung der Insektenpopulationen. In vielen Regionen, insbesondere im globalen Süden, gibt es deutlich weniger Daten zur Insektenvielfalt im Vergleich zu Europa und Nordamerika. Die Kombination von älteren Radardaten mit neuen Analysemodellen könnte dazu beitragen, historische Veränderungen in den Insektenpopulationen zu erkennen und ein besseres Verständnis für die Auswirkungen des globalen Wandels auf diese Lebensformen zu gewinnen.
In der Schweiz wird derzeit ein großes Forschungsprojekt zur Insektenfauna durchgeführt, das bis ins Jahr 2026 läuft. Dabei werden Insektenfallen in verschiedenen Lebensräumen aufgestellt, um den Einfluss von Landnutzung und Klimafaktoren auf die Insektenpopulationen zu untersuchen. Die gesammelten Proben werden mit Daten aus früheren Erhebungen verglichen, um zukünftige Bedrohungen für die Insektenvielfalt zu identifizieren und die Naturschutzmaßnahmen zu verbessern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Methode zur Überwachung von Insekten mittels Wetterradaren nicht nur dazu beiträgt, ein umfassenderes Bild der Insektenpopulationen in den USA zu erhalten, sondern auch als Modell für zukünftige Forschungen weltweit dienen könnte. In einer Zeit, in der Insektenpopulationen durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten bedroht sind, ist es entscheidend, dass wir mehr über diese oft übersehenen und doch unverzichtbaren Lebewesen lernen.
