Im kommenden Jahrzehnt steht die Alpenregion vor einem besorgniserregenden Gletscherschwund, der in seiner Dimension beispiellos sein wird. Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) hat herausgefunden, dass die Anzahl der Gletscher weltweit bis zum Ende des Jahrhunderts drastisch abnehmen wird, abhängig von den globalen Temperaturerhöhungen. Die Studie zeigt, dass bei einem Anstieg der Temperaturen um 4 °C nur noch etwa 18.000 Gletscher übrig bleiben könnten, während bei einer Erwärmung von 1,5 °C noch rund 100.000 Gletscher bestehen bleiben würden.
Die Forscher haben auch den Zeitpunkt ermittelt, an dem die jährlichen Verluste an Gletschern ihren Höhepunkt erreichen werden. Bei einer Temperaturerhöhung von 1,5 °C wird dieser Höchststand voraussichtlich um das Jahr 2041 erreicht, mit einem Verlust von etwa 2.000 Gletschern in einem Jahr. Bei einem Anstieg um 4 °C wird dieser Zeitraum auf etwa 2055 verschoben und die verlorenen Gletscher könnten auf rund 4.000 ansteigen. Dies bedeutet, dass in den Alpen zwischen 2033 und 2041 mehr Gletscher verschwinden könnten als jemals zuvor.
Die Prognosen für die Alpen sind alarmierend. Wenn die globale Erwärmung weiterhin ungebremst voranschreitet, wie es die gegenwärtigen Klimapolitiken prognostizieren, könnte die Zahl der Gletscher in Mitteleuropa bis zum Jahr 2100 auf gerade mal 110 sinken – das entspricht nur etwa drei Prozent der gegenwärtigen Gletscheranzahl. Bei einem Temperaturanstieg von 4 °C würden sogar nur noch etwa 20 Gletscher existieren. Bedeutende Gletscher wie der Rhonegletscher könnten zu kleinen Eisfragmenten zusammenschmelzen oder vollständig verschwinden. Selbst der große Aletschgletscher könnte sich in mehrere kleinere Gletscher aufteilen.
Die Studie, die am 15. Dezember 2025 in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde, stellt einen bedeutenden Fortschritt dar, da sie erstmals präzise Vorhersagen darüber liefert, wann und wo Gletscher weltweit verschwinden werden. Lander Van Tricht, der Hauptautor der Studie, hebt hervor, dass diese Erkenntnisse im Vergleich zu früheren Untersuchungen, die sich hauptsächlich auf den Verlust von Masse und Fläche konzentrierten, neue Perspektiven bieten. Die Forschung zeigt, dass insbesondere Regionen mit kleinen Gletschern, die in tieferen Lagen oder in der Nähe des Äquators liegen, besonders stark betroffen sind. Dazu gehören die Alpen, der Kaukasus und die Rocky Mountains.
In den Alpen könnte bei einer Temperaturerhöhung von 1,5 °C bis zum Jahr 2100 noch etwa zwölf Prozent der Gletscher erhalten bleiben, während bei 2 °C nur noch rund 8 Prozent existieren würden. Bei 4 °C verbleibt lediglich ein Prozent der Gletscher. Zum Vergleich: In den nordamerikanischen Rocky Mountains würden bei 1,5 °C noch etwa 4.400 Gletscher existieren, was 25 Prozent der heutigen Gletscher ausmacht. Bei 4 °C wären es nur noch rund 101 Gletscher.
Der Gletscherschwund hat weitreichende Folgen. Die Forscher führen den Begriff des „Peak Glacier Extinction“ ein, der den Zeitpunkt beschreibt, an dem die jährlichen Verluste an Gletschern ihren maximalen Wert erreichen. Nach diesem Höhepunkt wird die Zahl der verschwundenen Gletscher zwar wieder abnehmen, jedoch wird das Schmelzen der Gletscher in den betroffenen Regionen weiterhin eine bedeutende Herausforderung darstellen. Dies ist besonders wichtig für die Klimapolitik, da der Verlust von Gletschern nicht nur den Wasserhaushalt beeinflusst, sondern auch den Tourismus und die lokale Wirtschaft stark belasten kann.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit dringender Klimaschutzmaßnahmen. Jedes Zehntelgrad, das es gelingt, die Erderwärmung zu begrenzen, kann entscheidend sein, um den Gletscherschwund aufzuhalten. Die Forscher betonen, dass es nicht nur um den Verlust von Eis geht, sondern auch um die damit verbundenen kulturellen und wirtschaftlichen Konsequenzen. Die ETH Zürich engagiert sich daher aktiv in Initiativen zur Bewahrung der Geschichten und der Namen der verlorenen Gletscher. In einer Zeit, in der die Gletscher verschwinden, ist es entscheidend, sich nicht nur auf den Erhalt
