Flüsse in Gefahr: Unzureichender Schutz trotz Schutzgebietsstatus**

Flüsse in Gefahr: Unzureichender Schutz trotz Schutzgebietsstatus**

Eine aktuelle Untersuchung, die unter der Leitung von Dr. James S. Sinclair und Prof. Dr. Peter Haase von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung durchgeführt wurde, zeigt, dass die bestehenden Naturschutzgebiete in Europa nur begrenzte Vorteile für Flüsse und deren Biodiversität bieten. In der Studie analysierten die Wissenschaftler den Zustand von Flüssen an mehr als 1.700 Standorten in zehn europäischen Ländern über einen Zeitraum von nahezu vier Jahrzehnten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die in diesen Schutzgebieten ergriffenen Maßnahmen nur in wenigen Fällen zu messbaren Verbesserungen des ökologischen Zustands der Flüsse führten.

In den letzten Jahren wurden weltweit zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, um dem fortschreitenden Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken. Dazu gehören Gesetze und Abkommen, die darauf abzielen, Schutzgebiete auszuweiten, wie etwa die EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder das Kunming-Montreal-Abkommen, das den Schutz der biologischen Vielfalt fördern soll. In diesen geschützten Räumen, sei es in Nationalparks oder Naturschutzgebieten, wird die menschliche Aktivität eingeschränkt, um die biologische Vielfalt zu wahren und wiederherzustellen. Doch wie effektiv sind diese Schutzmaßnahmen konkret für die Flüsse in Europa?

Das internationale Forschungsteam von Senckenberg hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich die Vielfalt und das Vorkommen von Flusslebewesen, insbesondere von kleinen wirbellosen Tieren wie Insektenlarven und Muscheln, in geschützten und ungeschützten Gewässern entwickelt haben. Diese Organismen dienen als sogenannte Bioindikatoren, die Aufschluss über die Gesundheit eines Flusses geben können. Die Ergebnisse waren ernüchternd: In den meisten Fällen konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen geschützten und ungeschützten Gewässern festgestellt werden.

Besonders auffällig war, dass in bereits hochwertigen, also relativ sauberen Flüssen, die bestehenden Schutzmaßnahmen kaum messbare Effekte hatten. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Gewässer ohnehin nur geringfügig belastet sind. Bei Flüssen, die nur mäßig oder leicht beeinträchtigt sind, konnten durch die Schutzgebiete nur marginale Verbesserungen erreicht werden. Lediglich stark belastete Flüsse profitierten von den Schutzmaßnahmen, vorausgesetzt, dass große Teile des Einzugsgebiets unter Schutz standen.

Dr. Sinclair, der Erstautor der Studie, betont die begrenzte Wirksamkeit der bestehenden Schutzgebiete in Europa: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wirksame Maßnahmen zum Schutz von Flüssen und deren Artenvielfalt nur dort zu erkennen sind, wo umfassende Schutzkonzepte für große Teile des Flusseinzugsgebiets umgesetzt wurden. Kleinflächige Schutzmaßnahmen an den Ufern sind offensichtlich nicht ausreichend, um die Belastungen für Flüsse signifikant zu reduzieren.“

Ein zentrales Problem der bestehenden Schutzgebiete ist, dass viele von ihnen ursprünglich für terrestrische Ökosysteme wie Wälder oder Lebensräume seltener Tierarten ausgewiesen wurden. Die spezifischen Anforderungen und ökologischen Gegebenheiten der Flüsse wurden dabei oft vernachlässigt. Schadstoffe und landwirtschaftliche Einträge aus angrenzenden Gebieten können weiterhin in die Gewässer gelangen, wodurch der Schutz der Flüsse untergraben wird.

„Flüsse sind nicht isolierte Lebensräume, sondern Teil eines weitverzweigten Netzwerks, das über die Grenzen der Schutzgebiete hinausgeht“, erklärt Prof. Haase. „Ein effektiver Schutz von Flüssen erfordert den ganzheitlichen Blick auf das gesamte Einzugsgebiet, nicht nur auf einzelne Abschnitte.“

Das Forschungsteam fordert daher, dass zukünftige Gewässerschutzstrategien umfassender geplant werden sollten, indem das gesamte Flusseinzugsgebiet in den Fokus gerückt wird. Dazu zählen auch die Uferzonen, Nebenflüsse und angrenzende Landschaften. „Nur durch die Integration von Land- und Wasserökosystemen in die Schutzmaßnahmen können wir die Herausforderungen im Gewässerschutz erfolgreich angehen“, hebt Sinclair hervor.

Zudem stellt die Studie fest, dass viele Schutzgebiete weiterhin menschliche Aktivitäten erlauben, was die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen einschränkt. Die Wissenschaftler plädieren für strengere Regelungen sowie für Managementkonzepte, die die örtlichen Gemeinschaften einbeziehen und die Bedürfnisse der Gewässer gezielt berücksichtigen.

Angesichts internationaler Ziele zum Schutz der Biodiversität, wie die Vereinbarung, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Erdoberfläche zu schützen, zeigt die Studie, dass die bloße