In den letzten Jahren hat der Sport des Boulderns, insbesondere in natürlichen Felslandschaften, enorm an Beliebtheit gewonnen. Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Bayreuth hat sich nun mit den ökologischen Folgen dieser Freizeitaktivität auseinandergesetzt. Ihre neuesten Forschungsergebnisse, die im Fachjournal „People and Nature“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass das Outdoor-Bouldern nicht nur die Vegetation der Felsen beeinträchtigt, sondern auch Mikroplastik in sensible Ökosysteme einbringt. Diese Erkenntnisse werfen grundlegende Fragen zur Balance zwischen Freizeitgestaltung und Naturschutz auf.
Die Region Oberfranken ist ein beliebtes Ziel für Boulder-Enthusiasten. Die Kalkstein- und Granitformationen in der Fränkischen Schweiz sowie die Sandsteine im Fichtelgebirge bieten ideale Bedingungen für Kletterer. Trotz der Attraktivität dieser Gebiete sind die dortigen Ökosysteme äußerst empfindlich. Viele seltene und geschützte Pflanzen- und Tierarten sind auf die spezifischen Lebensräume angewiesen, die die Felsen bieten. Um die Auswirkungen des Boulderns auf diese sensiblen Ökosysteme besser zu verstehen, führten die Forscher experimentelle Studien an drei verschiedenen Felsen durch, die aus Kalkstein, Granit und Sandstein bestehen.
Im Rahmen der Studie wurden die Boulderblöcke insgesamt 500 Mal bekratzt. Die Ergebnisse waren alarmierend: An den Kontaktstellen, die durch die Kletterer beansprucht wurden, zeigte sich ein Verlust der Moos- und Flechtenbedeckung von bis zu 15 %. Besonders in den ersten Begehungen kam es zu den gravierendsten Veränderungen der Vegetation. Der Sandstein erwies sich dabei als besonders anfällig, da die Gesteinspartikel zusammen mit der Vegetation leichter abgetragen werden können, als dies bei Kalkstein oder Granit der Fall ist. Ein Teil der Vegetation konnte sich in den drei Jahren nach den Begehungen nur teilweise erholen, was die Langsamkeit der natürlichen Regeneration dieser Ökosysteme verdeutlicht.
In den Worten von Sofie Paulus, einer der Hauptautoren der Studie, ist dies die erste umfassende Untersuchung, die zeigt, dass die Auswirkungen des Boulderns stark von der Gesteinsart abhängen. Zudem wurde ein bisher wenig beachtetes Problem identifiziert: die Mikroplastikverschmutzung durch Abrieb der Gummisohlen der Kletterschuhe. Die Wissenschaftler konnten erstmals Mikroplastik auf den Kalksteinen nachweisen, das bereits nach moderater Nutzung der Kletterschuhe entstanden war. Dies bedeutet, dass beim Bouldern Mikroplastik direkt in die empfindlichen Ökosysteme eingeführt wird, was potenziell negative Auswirkungen auf die mikrobielle Gemeinschaft in diesen Lebensräumen haben kann.
Zusätzlich zu den negativen Effekten des Boulderns ohne die Verwendung von Kletterchalk oder einer besonderen Felsreinigung vor der ersten Begehung, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass weitere Praktiken, die im Sport üblich sind, die Schäden noch verstärken könnten. Paulus und ihr Team fordern daher differenzierte Managementstrategien, die eine Balance zwischen der Nutzung der Freizeit und dem Schutz der Natur herstellen. Eine mögliche Maßnahme könnte die zonenbasierte Regulierung von Kletteraktivitäten sein, bei der bestimmte Felsen zeitweise für das Bouldern gesperrt werden, um den ökologischen Heilungsprozess zu unterstützen.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass auch Freizeitaktivitäten wie das Bouldern erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, die oft übersehen werden. Die Forschung macht deutlich, dass es dringend notwendig ist, ein Bewusstsein für die ökologischen Konsequenzen solcher Sportarten zu schaffen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um die empfindlichen Ökosysteme zu schützen. Wissenschaftler und Naturschutzexperten sind gefordert, um nachhaltige Lösungen zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Kletterer als auch den Anforderungen der Natur gerecht werden.
