Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten von erheblichen regionalen Unterschieden geprägt sein. Dies geht aus den neuesten Prognosen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hervor, die in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erstellt wurden. Diese Vorausberechnungen, die bis zum Jahr 2070 reichen und erstmals zwölf verschiedene Szenarien zu Migration berücksichtigen, bieten wertvolle Einblicke in die demografische Entwicklung sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Sie ermöglichen eine Analyse der zukünftigen Bevölkerung und Altersstruktur in den einzelnen Kreisen, abhängig von verschiedenen Annahmen zur Binnen- und Außenwanderung.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die steigende Zahl älterer Menschen, insbesondere in ländlichen Regionen. Um dies zu quantifizieren, wird der sogenannte „Altenquotient“ herangezogen, der das Verhältnis der Bevölkerung ab 65 Jahren zur erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren darstellt. Dr. Frank Swiaczny, Mitautor der Studie, erklärt, dass ein Altenquotient von 0,5 bedeutet, dass auf zwei Erwerbstätige eine Person im Ruhestand kommt. Die Analysen zeigen, dass der Altenquotient in allen Szenarien bis in die späten 2030er Jahre stark ansteigen wird. Dieser Anstieg ist vor allem auf den Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in das Rentenalter zurückzuführen. Nach diesem Zeitraum wird jedoch erwartet, dass der Anstieg nicht weiter anhält, da kleinere Jahrgänge in das höhere Alter vorrücken. Bis zum Ende des Prognosezeitraums stabilisieren sich die Altenquotienten auf hohem Niveau oder gehen sogar leicht zurück.
Ein weiterer wesentlicher Punkt der Untersuchung ist, dass sich die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten in Bezug auf die Altersstruktur weiter verschärfen werden. Selbst ohne Zuwanderung aus dem Ausland wird in Großstädten, die aktuell eine relativ junge Bevölkerung aufweisen, der Altenquotient nur moderat ansteigen – von 0,31 im Jahr 2022 auf etwa 0,36 bis 2070. Im Gegensatz dazu wird in ländlichen und dünn besiedelten Regionen der Altenquotient ohne Zuwanderung auf rund 0,55 oder mehr steigen. Selbst bei Berücksichtigung von Zuwanderung aus dem Ausland ist ein deutlicher Anstieg des Altenquotienten in ländlichen Gebieten zu erwarten, der bis zum Jahr 2100 mindestens 0,44 erreichen könnte, unabhängig von den gewählten Migrationsszenarien. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung in diesen Regionen bereits heute relativ alt ist.
Die Prognosen deuten zudem auf wachsende regionale Unterschiede in der Gesamtbevölkerungszahl hin. In städtischen Gebieten wird mit einem weiteren Bevölkerungswachstum gerechnet, insbesondere bedingt durch Zuwanderung. Im Gegensatz dazu zeigen ländliche und insbesondere dünn besiedelte Kreise in den meisten Szenarien tendenziell Bevölkerungsverluste. Dr. Swiaczny betont die Herausforderungen, die sich aus der signifikanten Zunahme regionaler Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung ergeben. Diese Trends stellen Politik und Stadtplanung vor neue Herausforderungen, da klare Antworten auf diese komplexen Fragen oft nicht einfach zu finden sind. Dennoch bieten demografische Analysen wie diese wichtige Grundlagen für das Verständnis der anstehenden Herausforderungen.
Die Studie bietet nicht nur Einblicke in die demografische Entwicklung, sondern auch in deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft. Mit zunehmender Alterung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten wird es für diese Regionen unerlässlich sein, Strategien zu entwickeln, um die Lebensqualität zu sichern und die wirtschaftliche Vitalität aufrechtzuerhalten. Die unterschiedlichen Entwicklungen zwischen Stadt und Land erfordern maßgeschneiderte Ansätze zur Bewältigung der spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerungsgruppen.
Insgesamt verdeutlicht die Analyse des BiB die Notwendigkeit, sich mit den zukünftigen demografischen Herausforderungen auseinanderzusetzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Balance zwischen den verschiedenen Regionen zu fördern und soziale Ungleichheiten abzubauen.
