Henry M. Stanley ist ein welthistorischer Afrikaforscher, der das Geheimnis der Nilquellen klärte und den Kongo hinunterfuhr. Er wurde in Wales geboren, war aber bald Vollwaise und machte sich mit 17 Jahren nach Amerika davon. In New Orleans fand er Arbeit bei einem Baumwollhändler namens Stanley, der ihn adoptierte. Im Sezessionskrieg kämpfte er auf beiden Seiten. Danach wurde er Journalist.
Im Jahr 1867 reiste Henry M. Stanley zum ersten Mal nach Afrika. Er wurde vom „New York Herald“ geschickt, um David Livingstone zu finden, der seit 1866 verschollen war. Stanley reiste an viele Orte, einschließlich Ostafrika, und fand schließlich Livingstone in Ujiji.
Anfangs ging es dem Journalisten vor allem um den Erfolg seiner Geschichte. Doch nachdem er die Bekanntschaft mit Livingstone gemacht hat, ist er beeindruckt von dessen Persönlichkeit. Die beiden Männer verstehen sich gut und unternehmen gemeinsame Erkundungstouren am Nordufer des Tanganjikasees. Stanley gelingt es jedoch nicht, Livingstone zur Rückkehr nach England zu überreden. Also macht er sich allein zur Küste auf, die er im Mai 1872 erreicht. Drei Monate später erscheint die Nachricht in London und New York, dass Livingstone gefunden und am Leben ist. In der englischen Hauptstadt wird Stanley gefeiert und von der Royal Geographical Society mit deren Goldmedaille ausgezeichnet. Doch eigentlich mögen ihn die Engländer nicht besonders. Sie finden, dass er sich zu sehr vermarktet.
Henry M. Stanley reiste 1873/74 nach Südghana, um einen Bericht über die englische Strafexpedition gegen die Ashanti abzugeben. Zuvor hatte er von Livingstones Tod erfahren und beschloss, dessen Arbeit zu Ende zu führen. Das Rätsel der Nilquelle war noch immer nicht vollständig gelöst, sodass es viele Fragen hinsichtlich des Lualaba-Flusses und des Victoriasees gab. Stanley besorgte sich mehr als 100 Bücher, um sich auf seine Expedition vorzubereiten. Finanzielle Unterstützung kam vom „New York Herald“ und dem englischen „Daily Telegraph“.
Stanley führte die größte und am besten ausgerüstete Expedition an, die bis zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hatte, als sie im November 1874 die Ostküste Afrikas verließ. 365 Männer – Träger, Führer und Bewaffnete – zogen in die Wälder des immer noch weitgehend unerforschten Inneren des Kontinents. Die Karawane transportierte ein zerlegbares Boot namens „Lady Alice“. Es war ein Höllenmarsch und dreieinhalb Monate später erreichte Stanley den Victoriasee. 100 Mann hatte er auf dem Weg verloren; Typhus- und andere Krankheiten, Kämpfe mit Eingeborenen sowie die Flucht der Träger forderten ihren Tribut von der Expedition. Aber Stanley kannte kein Mitgefühl oder Rücksicht für sich selbst noch für andere, es gab für ihn nur ein Vorwärts. Henry M. Stanley schifft sich am 5. März 1875 auf dem riesigen Victoriasee ein. Er umfährt ihn in 58 Tagen: Der Entdecker des Sees, John Hanning Speke, hatte recht, es ist ein zusammenhängendes Gewässer mit einem Zufluss im Westen und einem großen Abfluss bei den Ripon-Fällen.
Bumbireh ist eine Insel im Victoriasee. Hier hat Stanley vor, auf dem Weg nach Buganda anzulegen. Die Einwohner der Insel sind schwarz und Bauern; sie leben von Fischfang, Zuckerrohranbau und Nutztierhaltung. Stanley will die Menschen von Bumbireh zur Taufe bringen lassen – falls das überhaupt möglich ist. «Sicherlich sind diese Leute gläubig», schreibt er in seinem Tagebuch, «es kommt nur darauf an, ob man ihnen die richtigen Lehren präsentiert. Oder verstehen sie vielleicht gar nicht den Unterschied zwischen gut und böse? Es steht also alles gut um unsere Seelsorgearbeit hier auf der Insel! Übrigens habe ich jetzt endlich einen guten Namens für mein Schiff gefundnen: Die ‹Taufstein›.»
Doch das Taufen der Bumbireher ist keine einfache Aufgabe. Die meisten von ihnen sind Animisten und glauben, dass jedes Wesen – vom Baum bis zum Tier – einen Geist hat. Ihr Glaube an die bösen Geister ist so stark, dass sie diese regelmäßig mit Opfergaben besänftigen müssen. Und obwohl Stanley immer wieder versucht, ihnen klarzumachen, dass es nur einen Gott gibt, den allein man anbetet und fürchtet muss, scheint er damit bei den Bumbirehern auf taube Ohren zu stoßen. Eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Stanleys Truppe und den Bewohnern der Insel Bumbireh führt zu einem Blutbad. Der Europäer hat sich von seinem Vorbild David Livingstone weit entfernt.
Stanley gelangte schließlich im Juni 1876 zum Tanganjikasee. Er konnte beweisen, dass kein Fluss aus ihm strömte, der die Nilquelle sein könnte. Anschließend unternahm er eine weitere Reise nach Westen und erreichte schließlich Boma, wo sich die Mündung des Kongo befindet. Auf seiner gesamten Tour verlor er zwei Drittel seiner Männer durch Erschöpfung, Hunger oder Angriffe der Eingeborenen. Stanley war berüchtigt dafür, über Leichen zu gehen, aber er gilt als einer der großen Afrika-Entdecker.
England will kein Kolonialreich im Kongo errichten. Aber Belgien schon. Der riesige Fluss bietet einen Weg in das undurchdringliche Herz Afrikas, wo Elfenbein und Rohstoffe darauf warten, an die Küste transportiert zu werden. König Leopold II. erteilt Stanley den Auftrag, den Kongo genauer zu erforschen. Stanley bleibt fünf Jahre, entdeckt den Leopoldsee II (auch Mai-Ndombe-See genannt), richtet Handelsposten ein, erwirbt durch geschickte Verhandlungen mit Häuptlingen Land und verdient dabei selbst viel Geld. Er legt den Grundstein für einen „Unabhängigen Staat Kongo“, der auf einer internationalen Konferenz in Berlin (1884 bis 1885) anerkannt wird. In der Folge wird das kleine Königreich um das 80-fache vergrößert – es wird zu einem Kolonialstaat unter belgischer Herrschaft, der doppelt so groß ist wie Belgien selbst.
Im Jahr 1887 begann Stanley seine letzte Afrikaexpedition für England. Stanley sollte dem deutschen Emin Pascha, Gouverneur in der ägyptischen Äquatorialprovinz, zu Hilfe kommen. Dieser war durch muslimische Aufstände seit sechs Jahren von der Außenwelt abgeschnitten. Stanley rüstete die Expedition in Sansibar aus. Doch auf den Weg machte er sich von der Kongo-Mündung an der Atlantikküste aus – ein Riesenumweg, vermutlich aus politischen Gründen. Stanley fährt mit 620 Mann, bis an die Zähne bewaffnet, den Strom aufwärts bis zur Mündung des Aruwimi. Es sind so viele Träger geflohen – und er bekommt keine neuen –, dass er 257 Mann unter dem Kommando von Major Bartelott zurücklassen muss. Die Expedition wird ein einziger Kampf. Gegen das Klima und die Natur. Gegen die Pygmäen, die vergiftete Pfeile am Boden versteckten. Gegen den Hunger. Es ist dunkel, kaum ein Sonnenstrahl dringt durch den Urwald. Mehr als 100 Mann sterben! Am 29. April 1888 trifft er am Albertsee mit Emin Pascha zusammen – nun braucht er selber Hilfe!
Nachdem er sich von den Strapazen wieder erholt hatte, machte sich Henry M. Stanley auf den Weg zurück zur Aruwimi-Mündung, um seine Nachhut einzuholen. Bartelott war getötet worden und die Gruppe war zerstreut. Auf dem Rückweg zum Albertsee gab es neue Verluste. Am 18. Januar 1889 traf Stanley wieder mit Emin zusammen. Es fiel ihm jedoch schwer, ihn davon zu überzeugen, mit ihm an die Ostküste Afrikas zu gehen. In Uganda entdeckte er das Ruwenzori-Gebirge. Schon Ptolemäus hatte diese geheimnisvollen Berge beschrieben, die bis zu 5130 Meter hoch waren. Stanley nannte sein Buch über diese Reise „Im dunkelsten Afrika“.
Zurück in London heiratet Henry M. Stanley seine vierte Frau, Enid Bagnold, und führt Ende des 19. Jahrhunderts ein ruhiges Leben. Von 1895 bis 1901 ist er gewähltes Mitglied des Parlaments; 1899 wird er von Königin Victoria geadelt. Er widmet sich nun ganz den kolonialen Fragen.