Hochoxidierte Isoprenprodukte: Eine bislang übersehene Quelle für atmosphärische Aerosole?**

Hochoxidierte Isoprenprodukte: Eine bislang übersehene Quelle für atmosphärische Aerosole?**

Die Rolle von hochoxidierten Produkten, die aus der Reaktion von Isopren entstehen, wird zunehmend als ein bedeutender Faktor für die Bildung von Aerosolen in der Atmosphäre erkannt. Forscher am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig haben in ihren jüngsten Studien entdeckt, dass der oxidativen Abbau von Isopren, einer Verbindung, die vor allem von Laubwäldern emittiert wird, zu einer Vielzahl neuartiger Produkte führt. Diese Entdeckungen könnten weitreichende Implikationen für unser Verständnis der atmosphärischen Chemie und deren Einfluss auf das Klima haben.

Isopren (C5H8) ist eine zentrale organische Verbindung mit einer jährlichen Emissionsrate von etwa 600 Millionen Tonnen Kohlenstoff, vorwiegend freigesetzt durch Laubbäume. Es wird als eine der wichtigsten nicht-methanartigen Verbindungen betrachtet, die in die Atmosphäre gelangen. Der Abbau von Isopren erfolgt nahezu ausschließlich in der Gasphase, wobei Hydroxylradikale (OH-Radikale) als Hauptreaktionspartner fungieren. Diese Radikale werden oft als „oxidatives Waschmittel“ der Atmosphäre bezeichnet, da sie zahlreiche organische Verbindungen oxidieren und damit chemische Veränderungen in der Luft bewirken.

Die Forscher am TROPOS haben in experimentellen Studien unter atmosphärischen Bedingungen zwei wesentliche Reaktionspfade identifiziert, die zur Bildung hochoxidierter Peroxyradikale mit acht bzw. neun Sauerstoffatomen führen. Diese Radikale, die als HO-C5H8O2 bekannt sind, stehen in einem dynamischen Gleichgewicht und spielen möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Produktion von organischen Aerosolen, die für die Wolkenbildung und das Klimasystem von Bedeutung sind.

Die Experimente wurden in einem groß angelegten Strömungssystem durchgeführt, das es den Wissenschaftlern ermöglichte, die Produktbildung unter Bedingungen zu verfolgen, die den atmosphärischen Konzentrationen der reaktiven Zwischenprodukte entsprechen. Durch hochsensible Massenspektrometrie konnten die Forscher die Bildung und Stabilität der Peroxyradikale nachweisen. Die Ergebnisse stimmten größtenteils mit dem bestehenden Wissen über den Isoprenabbau überein, jedoch wurden zahlreiche neue C4- und C5-Produkte sowie deren Reaktionswege erstmals dokumentiert.

Besonders bemerkenswert ist die Entdeckung, dass hochoxidierte Peroxyradikale wie C5H9O8 und C5H9O9 innerhalb von Sekunden durch Autoxidationsprozesse entstehen. Obwohl die molare Ausbeute dieser Spezies gering ist und nur maximal 0,3 % beträgt, könnte die enorme Emissionsrate von Isopren deren absolute Bedeutung für die Atmosphäre erhöhen. Diese Entdeckung führte die Wissenschaftler dazu, die Reaktionspfade in ein globales Chemie-Klimamodell zu integrieren. Die Simulationen ergaben, dass jährlich etwa 4 Millionen Tonnen hochoxidierte Isopren-Peroxyradikale gebildet werden, was die Bedeutung dieser Produkte für die atmosphärische Chemie unterstreicht.

Die durchgeführten Modellierungen zeigen, dass die Produktionsraten dieser hochoxidierten Produkte vergleichbar sind mit denjenigen, die aus der Oxidation von α-Pinen entstehen, einem Prozess, der bisher als der wichtigste für die Bildung von hochoxidierten Gasphasenprodukten in der Atmosphäre galt. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der oxidative Abbau von Isopren möglicherweise eine wesentliche Rolle bei der Bildung von atmosphärischen Aerosolen spielt.

Zusätzlich reagieren die hochoxidierten Radikale in der Atmosphäre überwiegend mit Stickstoffmonoxid (NO) und Hydroperoxyradikalen (HO2). Die Reaktionen mit NO führen zur Bildung organischer Nitrate, während die Produkte der Reaktion mit HO2 noch nicht vollständig verstanden sind und weiterer Untersuchung bedürfen.

Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten werfen viele Fragen auf. Die hochoxidierten Produkte des Isoprens könnten dazu beitragen, das Wachstum von atmosphärischen Aerosolpartikeln zu beeinflussen und somit auch die Wolkenbildung sowie die damit verbundenen Klima- und Strahlungseffekte. Um die Relevanz dieser neuen Oxidationspfade und deren Produkte für das atmosphärische System vollständig zu erfassen, sind zusätzliche Studien notwendig. Diese Forschung ist entscheidend, um ein besseres Verständnis für die komplexen Wechselwirkungen zwischen chemischen Prozessen in der Atmosphäre und globalen Klimaveränderungen zu erlangen.