
Eine aktuelle Untersuchung der Humboldt-Universität zu Berlin offenbart interessante Einsichten in die Entwicklung von Tierschutzgesetzen in den Vereinigten Staaten. Die Forschung, geleitet von der Doktorandin Jasmin Zöllmer, analysiert, wie die Mechanismen der direkten Demokratie und spezifische Importregelungen erheblichen Einfluss auf die Erhöhung von Tierschutzstandards in verschiedenen Bundesstaaten haben können.
In den letzten zwanzig Jahren haben zahlreiche US-Bundesstaaten bedeutende Tierschutzgesetze verabschiedet, die beispielsweise die Käfighaltung von Legehennen, Sauen und Mastkälbern untersagen. Diese gesetzgeberischen Veränderungen sind das Resultat eines bemerkenswerten Trends, den Zöllmer als „Wettlauf nach oben“ bezeichnet. Dabei betrachtet sie eine qualitative Analyse von 79 Gesetzesinitiativen, die seit 2000 in den USA ergriffen wurden. Zwei Hauptfaktoren sind entscheidend für den Erfolg dieser Initiativen: die Durchführung von Volksabstimmungen und die Anwendung von Importregulierungen.
Ein markantes Beispiel für diesen Erfolg ist das Verbot der Käfighaltung von Sauen in Kalifornien, das auch für importiertes Fleisch gilt. Dies bedeutet, dass selbst Produzenten aus Staaten wie Iowa, die als größte Schweineproduzenten der USA gelten, sich an die strengeren kalifornischen Vorgaben anpassen müssen, um weiterhin Zugang zu diesem lukrativen Markt mit 40 Millionen Einwohnern zu erhalten. Zöllmer hebt hervor, dass die Möglichkeit, strenge Standards auch auf Importe anzuwenden, als entscheidender Hebel fungiert, um die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produzenten zu sichern, selbst wenn sie höheren Anforderungen gerecht werden müssen. Dies trägt dazu bei, Widerstände abzubauen und die politische Durchsetzbarkeit ambitionierter Regelungen zu fördern.
Im Vergleich dazu zeigt sich die Situation in der Europäischen Union deutlich anders. Die strengen Regeln für den freien Warenverkehr innerhalb der EU erschweren es den Mitgliedstaaten, ähnliche Fortschritte im Tierschutz zu erzielen. Zöllmer und Professor Harald Grethe vom Albrecht-Thaer-Institut der Humboldt-Universität argumentieren, dass die EU ihren Mitgliedstaaten in der Politikgestaltung deutlich weniger Spielraum lässt als dies in den USA der Fall ist. Dies führt in den EU-Staaten oft zu einem Stillstand in der politischen Entwicklung, da höhere Standards häufig mit einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit assoziiert werden. In den USA hingegen begünstigt die Möglichkeit, strenge Standards auch auf Importprodukte anzuwenden, ein Anheben der Tierschutzstandards.
Zöllmer fasst die Unterschiede zwischen den beiden Märkten zusammen: Während die USA eine flexiblere politische Struktur bieten, die den Bundesstaaten erlaubt, eigenständige und fortschrittliche Gesetze zu erlassen, erleben die EU-Mitgliedsstaaten aufgrund der strikten Auslegung des freien Warenverkehrs häufig eine Art von politischem Stillstand oder sogar Deregulierung. Dies hat zur Folge, dass ambitionierte Tierschutzgesetze in der EU schwer durchzusetzen sind.
Die Autorin Jasmin Zöllmer ist Doktorandin am Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Forschungsfokus liegt auf der Politikgestaltung innerhalb integrierter Märkte, insbesondere im Kontext der europäischen Integration und deren Auswirkungen auf die politischen Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. Zöllmer verwendet in ihrer Arbeit verschiedene Methoden, einschließlich vergleichender Politikfeldanalysen und Diskursanalysen, um die politische Dynamik und deren Auswirkungen zu erforschen.
Die Ergebnisse dieser Studie sind von großer Bedeutung, nicht nur für die Tierschutzpolitik, sondern auch für das Verständnis der Mechanismen, die politische Veränderungen in integrierten Märkten anstoßen können. Sie verdeutlichen, dass ein flexibles rechtliches Umfeld und direkte Mitbestimmung durch die Bürger entscheidend für Fortschritte in der Gesetzgebung sein können. Diese Erkenntnisse werfen auch grundlegende Fragen zur politischen Struktur der Europäischen Union auf und können Anstoß zu weiteren Diskussionen über die Reformen in der EU geben, um den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum für die Umsetzung ambitionierter politischer Ziele zu ermöglichen.
Die Forschung von Jasmin Zöllmer hebt hervor, dass die Kombination aus direkter Demokratie und durchsetzbaren Importregulierungen als effektive Strategie angesehen werden kann, um Tierschutzstandards zu erhöhen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produzenten zu fördern. Ein solcher Ansatz könnte auch auf andere Bereiche der Politik anwendbar sein, um Fortschritte in verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen zu erzielen.