
Die politische Agenda in Europa wird derzeit stark von Themen wie Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichem Wachstum dominiert. In diesem Kontext besteht die Gefahr, dass der Schutz der biologischen Vielfalt in den Hintergrund gedrängt wird. Allerdings eröffnet die neue EU-Verordnung zur Renaturierung der Natur attraktive Möglichkeiten, um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen. In einem Beitrag für das Fachmagazin „Restoration Ecology“ haben Experten aus drei deutschen Politikberatungsgremien spezifische Empfehlungen formuliert, die darauf abzielen, die Renaturierung effektiv zu gestalten. Im Folgenden werden die fünf Schlüsselfaktoren vorgestellt, die für eine erfolgreiche Renaturierung von entscheidender Bedeutung sind.
Zunächst ist es wichtig zu erkennen, dass viele europäische Ökosysteme, sei es in Wäldern, Flüssen oder landwirtschaftlichen Flächen, stark geschädigt sind. Trotz verschiedener Schutzmaßnahmen nimmt die biologische Vielfalt weiterhin ab. Es gibt jedoch Hoffnung auf positive Veränderungen durch die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Regulation, NRR), die im August 2024 in Kraft trat. Diese Verordnung zielt darauf ab, die biologische Vielfalt langfristig zu erhöhen und Ökosysteme widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und andere Belastungen zu machen. Ein zentraler Bestandteil dieser Bestimmungen ist die Wiederherstellung geschädigter Lebensräume sowie die Verbesserung der Bedingungen für bestimmte Arten, insbesondere für Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge.
Um die ambitionierten Ziele der Verordnung zu erreichen, müssen alle EU-Mitgliedstaaten nationale Wiederherstellungspläne entwickeln. Diese Entwürfe müssen bis 1. September 2026 bei der EU-Kommission eingereicht werden. Laut Prof. Dr. Josef Settele, einem Agrarökologen am UFZ, stellt dies einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der Ökosystemwiederherstellung dar. Der Erfolg dieser Pläne hängt jedoch von der Umsetzung effektiver Maßnahmen ab.
Die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Renaturierung ist die Einstellung der Akteure gegenüber Renaturierungsprojekten. Die Unterstützung von Landnutzern, der Politik, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit ist entscheidend. Transparente Kommunikation über die Chancen und Herausforderungen von Renaturierungsmaßnahmen kann das Vertrauen in solche Projekte stärken. Zudem sollten Bürger frühzeitig in Planungsprozesse einbezogen werden, um ihre Akzeptanz und Beteiligung zu fördern.
Ein weiterer Punkt ist die Festlegung klarer, qualitativer und quantitativer Ziele für die Renaturierung in jedem EU-Land. Obwohl die Verordnung Richtlinien zu den Zielen für Wälder, landwirtschaftliche Flächen und städtische Gebiete enthält, obliegt es den Mitgliedstaaten, spezifische Maßnahmen zu definieren. Beispielsweise könnte der Umbau von Wäldern in naturnähere Mischbestände oder die Schaffung von biodiversitätsfördernden städtischen Grünflächen in den Fokus geraten.
Drittens ist es wichtig, dass die Renaturierungsmaßnahmen besser mit anderen Nutzungsinteressen abgestimmt werden. Dies erfordert eine sorgfältige Planung, um großflächige Renaturierungen effizient zu organisieren und schädliche Landnutzungspraktiken zu reduzieren. In diesem Zusammenhang könnten rechtliche Anpassungen notwendig sein, um den Flächenerwerb durch öffentliche Stellen zu erleichtern oder langfristige Verträge für Renaturierungsmaßnahmen auf Privatflächen zu fördern.
Ein vierter Punkt betrifft die Schaffung von unterstützenden Rahmenbedingungen für die Renaturierung. Hierzu gehört es, Anreize zu schaffen, die freiwillige Renaturierungsmaßnahmen für Landnutzer attraktiver gestalten. Finanzielle Unterstützung, insbesondere durch die EU-Agrarpolitik, spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Zudem gilt es, neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu erschließen, wie beispielsweise die Nutzung von Pflanzen aus wiedervernässten Mooren als nachwachsende Rohstoffe.
Schließlich ist es von großer Bedeutung, die Vorteile einer erfolgreichen Renaturierung für die Gesellschaft hervorzuheben. Wiederhergestellte Ökosysteme sind häufig widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels und tragen zur Wasserreinhaltung und Hochwasserschutz bei. Auch der Erholungswert solcher Flächen sollte betont werden, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern.
In Anbetracht der aktuellen politischen Herausforderungen ist es besonders wichtig, die Potenziale der neuen EU-Vorschriften zur Renaturierung nicht zu gefährden. Die Möglichkeit, sowohl die biologische Vielfalt zu schützen als auch nachhaltige landwirtschaftliche Produktionsbedingungen zu fördern, sollte nicht ungenutzt bleiben. Denn biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit sind unverzichtbar für die wirtschaftliche Stabilität in Europa.