Die Gefahren von Schlammlawinen: Neue Erkenntnisse aus der Forschung**

Die Gefahren von Schlammlawinen: Neue Erkenntnisse aus der Forschung**

Schlammlawinen, auch als Murgänge bekannt, stellen eine ernsthafte Bedrohung für viele Regionen, insbesondere in den Alpen, dar. Diese Naturphänomene treten häufig nach starken Regenfällen auf und bestehen aus einer Mischung aus Wasser, feinen Partikeln und größeren Gesteinsbrocken, die sich rasch den Hang hinunter bewegen und alles in ihrem Weg zerstören. Jüngste Vorfälle in der Walliser Gemeinde Blatten und im Bündner Dorf Brienz haben erneut auf die Gefahren hingewiesen, die von diesen Strömungen ausgehen. Auch in der jüngeren Vergangenheit sorgten Murgänge in Orten wie Sorte (GR), Fontana (TI) und im Saastal (VS) für Aufsehen, während der tragische Bergsturz in Bondo (GR) im Jahr 2017, der einen verheerenden Murgang nach sich zog und acht Menschenleben forderte, noch immer in Erinnerung ist.

Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von der ETH Zürich hat sich nun intensiv mit der Dynamik dieser gefährlichen Strömungen beschäftigt. Durch präzise Messungen und Beobachtungen konnten sie entscheidende Faktoren identifizieren, die die Zerstörungskraft von Murgängen beeinflussen. Dies ist besonders wichtig, da solche Gefahren in exponierten Gebieten regelmäßig auftreten und oft mit verheerenden Folgen verbunden sind.

Ein herausragendes Beispiel für die Forschung fand am 5. Juni 2022 im Illgraben oberhalb von Leuk in der Schweiz statt. Dort löste sich ein Murgang, der beeindruckende 25.000 Kubikmeter Material über eine Strecke von vier Kilometern transportierte, bevor er in die Rhône mündete. Mit Hilfe von modernster Messtechnik, einschließlich hochpräziser 3D-Laser-Scanner, wurden die Eigenschaften des Murgangs genau aufgezeichnet. Diese Geräte, ursprünglich für selbstfahrende Autos entwickelt, ermöglichten es den Forschenden, die Bewegungen und die Dynamik des Schlamms mit einer räumlichen Auflösung von nur zwei Zentimetern und einer zeitlichen Auflösung von 0,1 Sekunden zu erfassen.

Während des Ereignisses beobachteten die Forscher eine zwei Meter hohe Front, die sich schnell durch das Tal bewegte und große Felsbrocken mit einem Volumen von bis zu einem Kubikmeter transportierte. An den Messstationen wurden zudem mehr als 70 Wellenbewegungen innerhalb von nur 30 Minuten registriert, die für die Zerstörungskraft der Murgänge von zentraler Bedeutung sind. Diese Wellen entstehen spontan und resultieren aus kleinen Unebenheiten an der Oberfläche des Schlammstroms, die sich im Laufe der Zeit vergrößern und intensiver werden, bis sie ihre maximale Zerstörungskraft erreichen.

Die Erkenntnisse aus dieser Studie, die in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht wurden, beleuchten die physikalischen Prozesse hinter der Entstehung dieser gefährlichen Schübe und bieten wertvolle Informationen für das Gefahrenmanagement. Laut Professor Jordan Aaron, einem der leitenden Wissenschaftler, können die Ergebnisse dazu beitragen, die Zerstörungskraft von Murgängen besser abzuschätzen und geeignete Schutzmaßnahmen wie Dämme oder Auffangnetze zu planen.

Ein weiterer bedeutender Aspekt der Forschung ist die Tatsache, dass große Felsbrocken die Strömungsdynamik innerhalb der Murgänge erheblich beeinflussen. Dies war in früheren Vorhersagemodellen oft nicht berücksichtigt worden. Die neuen Erkenntnisse ermöglichen eine präzisere Beschreibung der Naturereignisse und verbessern somit das Verständnis für die Dynamik von Murgängen.

Die kontinuierliche Überwachung des Illgrabens, der seit 2000 mit Messinstrumenten ausgestattet ist, hat es den Wissenschaftlern ermöglicht, wertvolle Daten über die Eigenschaften von Murgängen in ihrer natürlichen Umgebung zu sammeln. Die hochauflösenden Messungen während des Murgangs im Jahr 2022 haben neue Maßstäbe gesetzt und bieten eine solide Grundlage für zukünftige Forschungsprojekte.

Insgesamt zeigen die Arbeiten des Forschungsteams, wie wichtig es ist, die Mechanismen hinter der Entstehung und Bewegung von Murgängen zu verstehen, um effektive Schutzstrategien entwickeln zu können. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur dazu beitragen, Menschenleben zu retten, sondern auch den Schutz von Infrastruktur und Natur zu verbessern.