
Ein internationales Team von Wissenschaftlern, bestehend aus Forschern des Museums für Naturkunde in Berlin sowie Institutionen in Buenos Aires und Washington D.C., hat ein bedeutendes neues Fossil aus der Korbacher Spalte, einer wichtigen Fossilfundstelle in Nordhessen, untersucht und beschrieben. Dieses Fossil, das auf ein Alter von 255 Millionen Jahren datiert wird, bietet faszinierende Einblicke in die frühe Evolutionsgeschichte der Archosauromorphen, einer Gruppe von Reptilien, die eine zentrale Rolle in der Evolution der heutigen Arten spielt.
Die Korbacher Spalte ist bekannt für ihre außergewöhnliche Fossilfundstätte, die aus der Zeit kurz vor dem größten Massenaussterben in der Erdgeschichte stammt, das vor rund 252 Millionen Jahren stattfand und etwa 70 bis 80 Prozent aller damaligen Arten auslöschte. Die Fossilien aus dieser Region ermöglichen wertvolle Rückschlüsse auf das Leben im Äquatorbereich während des Perms. Besonders hervorzuheben ist der Fund des frühen Vorfahren der Säugetiere, Procynosuchus, der aufgrund seines Erscheinungsbildes auch als „Korbacher Dackel“ bezeichnet wird.
Das neu entdeckte Fossil besteht aus einem einzelnen, gut erhaltenen Halswirbel und repräsentiert eine bisher unbekannte Art eines archosauromorphen Reptils. Die Forscher gaben dieser neuen Gattung und Art den Namen Manistropheus kulicki. Der charakteristische Wirbel weist einige einzigartige anatomische Merkmale auf, darunter ein verlängertes, rautenförmiges Zentrum und eine halbmondförmige Vertiefung auf der Vorderseite, was zur Namensgebung beiträgt: „Máni“ ist die altnordische Personifizierung des Mondes, und „stropheus“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Wirbel.
Die Analyse der morphologischen Merkmale von Manistropheus kulicki zeigt, dass dieses Fossil Ähnlichkeiten mit frühen Archosauromorphen aufweist, jedoch auch Besonderheiten, die bei anderen Reptilien dieser Epoche fehlen. Die umfassende Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse legt nahe, dass Manistropheus kulicki am Ursprung dieser bedeutenden Reptilienlinie steht und zu den frühesten Vertretern dieser Gruppe zählt.
Die Studie beinhaltete außerdem eine Analyse der morphologischen Vielfalt, um zu ergründen, wie sich die Halswirbel im Verlauf der Erdgeschichte verändert haben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Archosauromorphe bereits vor dem großen Massenaussterben eine bemerkenswerte morphologische Vielfalt aufwiesen. Die Halsanatomie dieser Tiere diversifizierte sich in der frühen Trias schneller als andere Teile des Skeletts, wie frühere Forschungen zeigen.
Dr. Martín Ezcurra, der Erstautor der Studie, hebt hervor, dass diese Entdeckung von großer Bedeutung ist, da permische Archosauromorphe äußerst selten sind und bisher lediglich fünf fossile Arten aus dieser Zeit bekannt waren. „Dank Manistropheus kulicki erkennen wir, wie vielfältig diese Gruppe bereits vor dem Massenaussterben war“, erklärt er.
Prof. Hans-Dieter Sues vom Smithsonian und Co-Autor der Studie betont, dass das Fossil nicht nur eine neue Art belegt, sondern auch die Annahme untermauert, dass es im Perm eine bislang unerkannte Vielfalt an Archosauromorphen gab. Prof. Jörg Fröbisch, Evolutionsbiologe am Museum für Naturkunde, ergänzt, dass die Korbacher Spalte als Schlüsselort gilt, um das Leben auf dem Land in den tropischen Regionen des Urkontinents Pangäa kurz vor dem Massenaussterben besser zu verstehen.
Diese Entdeckung verdeutlicht die Notwendigkeit, auch weniger bekannte Fossilfundstellen weiterhin intensiv zu erforschen. Diese Orte bieten wertvolle Einblicke in Ökosysteme, die von einem massiven Artensterben betroffen waren und ermöglichen es uns, die evolutionäre Geschichte des Lebens auf der Erde besser zu verstehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das neue Fossil Manistropheus kulicki nicht nur zur Erweiterung unseres Wissens über die Vielfalt der Archosauromorphen beiträgt, sondern auch die Komplexität der Evolution zu einer Zeit unterstreicht, in der große Veränderungen in der Tierwelt stattfanden.