
Im Bereich des Klimaschutzes zeigen sich erhebliche Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen von Politikern und der tatsächlichen Bereitschaft der Bevölkerung, effektive Maßnahmen zu unterstützen. Eine neue Studie, die unter der Leitung von Dr. Timur Sevincer an der Leuphana Universität Lüneburg in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wilhelm Hofmann von der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurde, beleuchtet diese Problematik. Die Ergebnisse legen nahe, dass die politischen Entscheidungsträger die Unterstützung der Bürger für notwendige Klimaschutzmaßnahmen erheblich unterschätzen.
Die Forscher fanden heraus, dass insbesondere die Akzeptanz von Maßnahmen, die den größten Einfluss auf den Klimaschutz haben könnten, wie etwa die Besteuerung klimaschädlicher Produkte und strenge Regulierungen, von den Politikern falsch bewertet wird. Diese Fehleinschätzung betrifft nicht nur die politischen Entscheidungsträger, sondern auch die Bürger selbst. Letztere neigen dazu, die Bereitschaft ihrer Mitmenschen, Klimaschutzmaßnahmen zu akzeptieren, ebenfalls zu unterschätzen. Allerdings sind sie in ihrer Einschätzung näher an der Realität als die Politiker.
Für die Studie wurden über 6.000 Mandatsträger aller politischen Parteien befragt, von denen etwa ein Viertel auf die Umfrage reagierte. Um ein umfassendes Bild der Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung zu gewinnen, verwendeten die Wissenschaftler zwei repräsentative Vergleichsstichproben. Diese Erhebungen konzentrierten sich auf verschiedene Aspekte, darunter das Problembewusstsein, den Wunsch nach staatlichen Maßnahmen und die Bereitschaft, finanzielle Mittel für Klimaschutz auszugeben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Politiker bei der Einschätzung von Problembewusstsein und dem Wunsch nach staatlicher Unterstützung relativ genau lagen. Die größte Diskrepanz wurde jedoch bei der Akzeptanz von steuerlichen Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen festgestellt. Hier scheinen die Entscheidungsträger zu glauben, dass die Bürger weniger bereit sind, solche Maßnahmen zu unterstützen, als es tatsächlich der Fall ist. Diese falsche Annahme könnte als eines der Haupthindernisse gelten, die einer effektiven Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen im Wege stehen.
Die politischen Entscheidungsträger scheinen sich aus Angst vor einer negativen Reaktion der Wählerschaft vor einer zu radikalen Klimapolitik zurückzuhalten. Diese übervorsichtige Herangehensweise könnte jedoch kontraproduktiv sein, da sie die Möglichkeit verspielt, weitreichende und notwendige Veränderungen zu initiieren. Die Studie legt nahe, dass es an der Zeit sei, die Politik mutiger zu gestalten, um den dringenden Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden.
Ein weiterer Aspekt, der in der Studie behandelt wird, ist das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen. Die Akzeptanz für staatliche Maßnahmen könnte steigen, wenn die Bürger das Gefühl haben, dass ihre Anliegen und Meinungen ernst genommen werden. Dies könnte durch stärkere Bürgerbeteiligung und transparentere Entscheidungsprozesse gefördert werden. Wenn die Bevölkerung aktiv in die Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen einbezogen wird, könnte dies die Akzeptanz für notwendige Eingriffe erhöhen.
Die Studie wurde durch ein Forschungsstipendium des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst gefördert und befindet sich derzeit im Publikationsprozess. Die Ergebnisse werden auf der bevorstehenden Tagung der Fachgruppe Sozialpsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie im September 2025 in Bochum vorgestellt. Diese Plattform bietet eine wertvolle Gelegenheit, die Erkenntnisse zu diskutieren und mögliche Lösungsansätze für die Herausforderungen im Bereich Klimaschutz zu erarbeiten.
Insgesamt zeigt die Forschung, dass sowohl Politiker als auch Bürger von einer realistischeren Einschätzung der Bereitschaft zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen profitieren könnten. Ein offener Dialog und ein besseres Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung könnten dazu beitragen, effektive und akzeptierte Lösungen für den Klimawandel zu finden.