
In den letzten Jahren hat sich die Ernährung zunehmend in Richtung pflanzlicher Alternativen gewandelt. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung von veganen Produkten, bei denen Proteine aus Pflanzen, Pilzen und Algen eine zentrale Rolle spielen. Eine weniger bekannte, aber vielversprechende Proteinquelle ist das Rapsprotein. Forschende des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna haben herausgefunden, dass Rapsprotein nicht nur für vegane Burger-Patties geeignet ist, sondern auch als nahrhaftes Futtermittel für Hühner verwendet werden kann.
Das EthaNa-Verfahren, das in der Pilotanlage des Fraunhofer CBP eingesetzt wird, ermöglicht die schonende Gewinnung von Rapsprotein aus den ölhaltigen Rapskernen. Bei diesem Verfahren werden die geschälten Rapskerne mit Ethanol behandelt, was eine sanfte Extraktion des Proteins bei niedrigen Temperaturen von maximal 70 °C ermöglicht. Dadurch bleibt die Struktur der Proteine weitgehend intakt, was die Verwendung in Lebensmitteln und Futtermitteln begünstigt.
Die Zusammensetzung von Rapskernen ist bemerkenswert. Neben dem Rapsöl, das etwa 40 Prozent der Inhaltsstoffe ausmacht, enthalten die Kerne rund 20 Prozent wertvolle Proteine. Diese Rapsproteine sind in ihrer Struktur mit Milchproteinen vergleichbar und könnten daher als hochwertige pflanzliche Proteinquelle in verschiedenen Lebensmitteln dienen. Bisher wurden sie allerdings kaum in der Lebensmittelproduktion genutzt, da herkömmliche Extraktionsmethoden die Proteine denaturieren und die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen können.
Das EthaNa-Verfahren wurde entwickelt, um diese Probleme zu überwinden. Die sanfte Extraktion führt zu einem Rapskernkonzentrat, das über 50 Prozent Protein enthält und weniger als 5 Prozent Restöl. Dies macht das Konzentrat zu einer idealen Zutat für Produkte wie Burger-Patties und Pasta. Im Rahmen des EU-geförderten Projekts „Like-A-Pro“ wurde die Eignung des Rapskernkonzentrats getestet, und die Ergebnisse waren vielversprechend. Die Forscher stellten fest, dass das Konzentrat stabile Emulsionen mit anderen Zutaten bildete und eine angenehme Textur sowie einen guten Geschmack aufwies.
Ein weiterer Vorteil des Rapskernkonzentrats ist seine ausgeglichene Aminosäurezusammensetzung, die besonders vorteilhaft für die menschliche Ernährung ist. Der Gehalt an essenziellen Aminosäuren übertrifft sowohl den von herkömmlichem Rapsextraktionsschrot als auch den von Soja, was es zu einer wertvollen Alternative macht.
Neben der Verwendung in der menschlichen Ernährung ist das Rapskernkonzentrat auch für die Tierernährung von Bedeutung. Im geförderten Projekt „NAPF – Neue proteinreiche Rapsfuttermittel“ wurde die Eignung des Konzentrats für die Geflügelmast untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass Küken, die mit Rapskernkonzentrat gefüttert wurden, innerhalb von 21 Tagen deutlich an Gewicht zulegten. Zudem wurde festgestellt, dass das Rapskernkonzentrat eine bessere Proteinverdaulichkeit aufweist als herkömmliches Rapsextraktionsschrot. Durch die Zugabe von Phytase konnte die Verdaulichkeit weiter verbessert werden, was zu einer effizienteren Proteinnutzung im Organismus beiträgt.
Der ganzheitliche Ansatz des EthaNa-Verfahrens ermöglicht die vollständige Nutzung der Rapsressourcen. Neben dem hochwertigen Rapsöl und dem proteinreichen Rapskernkonzentrat entstehen auch wertvolle Nebenprodukte wie Rapsschalen, die als Dämmmaterial verwendet werden können. Darüber hinaus können die im Extrakt enthaltenen Komponenten, wie Glucosinolate und Phospholipide, in verschiedenen Industrien, darunter Pflanzenschutzmittel und Kosmetik, eingesetzt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rapsprotein eine vielversprechende Option für die Entwicklung nachhaltiger und gesunder Ernährungsalternativen darstellt. Durch innovative Verfahren wie das EthaNa-Verfahren wird es möglich, die Wertschöpfung des heimischen Rapses zu steigern und die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Dies trägt nicht nur zur Verringerung von Treibhausgasemissionen bei, sondern unterstützt auch die Schaffung eines nachhaltigeren Ernährungssystems, das auf regionalen Ressourcen basiert.