
Eine aktuelle Untersuchung hat ergeben, dass 60 Prozent der weltweiten Landflächen sich in einem besorgniserregenden Zustand befinden. Diese Forschung, die vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien durchgeführt wurde, ist in der bekannten Fachzeitschrift One Earth veröffentlicht worden. Die Studie befasst sich mit der sogenannten „funktionalen Integrität der Biosphäre“, einem Konzept, das die Fähigkeit der Pflanzenwelt beschreibt, zur Stabilität des Erdsystems beizutragen. Diese Integrität ist entscheidend, um essentielle Prozesse wie die Regulierung von Kohlenstoff-, Wasser- und Stickstoffkreisläufen aufrechtzuerhalten, die für das Überleben der Ökosysteme wichtig sind, insbesondere angesichts der massiven menschlichen Eingriffe in die Natur.
Die Autoren der Studie, angeführt von Fabian Stenzel, betonen den enormen Bedarf an den Ressourcen der Biosphäre, um den menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, sei es in der Nahrungsmittelproduktion, der Rohstoffgewinnung oder im Klimaschutz. Es wird darauf hingewiesen, dass der Bedarf an Biomasse weiterhin wächst, während gleichzeitig Strategien zur CO₂-Reduktion, wie der Anbau schnell wachsender Pflanzen für die Energiegewinnung, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Um die Risiken einer Übernutzung der Biosphäre besser einschätzen zu können, ist es von großer Bedeutung, die bestehende Belastung der Natur differenziert zu analysieren.
Die Studie basiert auf der neuesten Aktualisierung des Konzeptes der planetaren Grenzen, das die zentralen Energieflüsse der Photosynthese ins Zentrum rückt. Laut Wolfgang Lucht, dem Koordinator der Studie, sind diese Energieflüsse für die Aufrechterhaltung des Lebens auf der Erde unerlässlich. Die Menschheit entzieht jedoch einen erheblichen Teil dieser Energie für eigene Zwecke, was die natürlichen Abläufe stört und zu einer Überlastung des Erdsystems führt.
Die Forscher haben zwei Hauptindikatoren entwickelt, um die Belastung der Biosphäre zu messen: Zum einen analysieren sie den Anteil der natürlichen Biomasse, den Menschen durch Landwirtschaft, Holzernte und andere Formen der Landnutzung beanspruchen. Zum anderen wird eine Risikokennzahl ermittelt, die komplexe Veränderungen in der Vegetation sowie in den Wasser-, Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalten der Biosphäre abbildet.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass insbesondere die mittleren Breiten der Erde bereits seit 1600 besorgniserregende Entwicklungen aufweisen. Im Jahr 1900 waren 37 Prozent der globalen Landflächen in einem unsicheren Zustand, während heute 60 Prozent als problematisch eingestuft werden, wobei 38 Prozent sogar in der Hochrisikozone liegen. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen, dass die Industrialisierung und die damit einhergehende Landnutzung sich bereits frühzeitig negativ auf den Zustand des Erdsystems ausgewirkt haben. Dies geschah lange bevor der Klimawandel die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte.
Insbesondere in Europa, Asien und Nordamerika sind die Veränderungen in der Vegetation stark ausgeprägt, da viele Flächen zugunsten der Landwirtschaft umgewandelt wurden. Johan Rockström, Direktor des PIK und Mitautor der Studie, bezeichnet die Ergebnisse als bedeutenden Fortschritt im wissenschaftlichen Verständnis der planetaren Grenzen. Er hebt hervor, dass diese Erkenntnisse einen wichtigen Impuls für die internationale Klimapolitik liefern, indem sie den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Biomasse, der Erhaltung natürlicher Kohlenstoffsenken und dem Klimaschutz verdeutlichen.
Die vorliegende Studie ist ein eindringlicher Weckruf, der die Notwendigkeit unterstreicht, die Biosphäre als integralen Bestandteil der globalen Umweltpolitik zu betrachten. Nur durch einen umfassenden Schutz der biologischen Integrität der Erde können wir die Herausforderungen des Klimawandels und die damit verbundenen Risiken wirksam angehen und zukünftigen Generationen eine lebendige und gesunde Umwelt übergeben.