
Die Bedeutung des Mikrobioms erstreckt sich über den menschlichen Verdauungstrakt hinaus und spielt auch in Gewässern eine entscheidende Rolle. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt, dass die mikrobielle Gemeinschaft in Berliner Gewässern stark von anthropogenen Einflüssen geprägt ist, was potenziell negative Auswirkungen auf deren ökologischen Status hat.
Die Forschenden analysierten mehrere Berliner Gewässer, darunter Flüsse wie die Wuhle, Erpe und Panke sowie städtische Teiche, um den Zusammenhang zwischen der Wasserherkunft und der Zusammensetzung der Mikroben zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gewässer in Berlin stark durch geklärtes Abwasser beeinflusst werden. Insbesondere die Panke und die Erpe führen während bestimmter Jahreszeiten bis zu 100 % gereinigtes Abwasser, was die mikrobielle Gemeinschaft in diesen Gewässern stark verändert.
Dr. Maria Magdalena Warter, eine der Hauptautorinnen der Studie, betont, dass ein funktionierendes Mikrobiom in Gewässern für die Aufrechterhaltung der Wasserqualität und der biologischen Vielfalt unerlässlich ist. Bakterien und andere Mikroorganismen bilden die Basis des Nahrungsnetzes, sind in Stoffwechselprozesse involviert und tragen zur Selbstreinigung der Gewässer bei.
Im Verlauf ihrer Forschung sammelte das Team über ein Jahr hinweg Daten zu Wasserströmen, chemischen Parametern und mikrobiellen Gemeinschaften an verschiedenen Probenahmestellen. Mithilfe stabiler Isotope konnten sie die Wasserherkunft bestimmen, während genetische Methoden wie die Analyse von Umwelt-DNA den Nachweis von Mikroorganismen ermöglichten. Die Ergebnisse zeigten, dass die mikrobielle Zusammensetzung stark von der Herkunft des Wassers abhängt. In städtischen Teichen und der Wuhle fanden die Forschenden typische Gewässerbakterien und Algen, während die Erpe und die Panke von Mikroben dominiert wurden, die normalerweise im menschlichen Darm vorkommen.
Dieser Einfluss des Abwassers auf die Gewässermikrobiome ist bedenklich. Die Stadt Berlin hat mit einem jährlichen Niederschlag von nur etwa 580 Millimetern und einer hohen Verdunstung einen Wasserhaushalt, der stark von geklärtem Abwasser geprägt ist. In Dürreperioden spielt Grundwasser eine geringere Rolle, was zu einer Abnahme der Vielfalt im Mikrobiom führt. Während der Sommermonate war die Artenvielfalt in den untersuchten Gewässern geringer, was auf die Überdominanz des geklärten Abwassers zurückzuführen ist.
Die Temperatur und der Gehalt an gelöstem Kohlenstoff und Sauerstoff hatten ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die mikrobielle Gemeinschaft. Ein ungünstiges Mikrobiom kann die Effektivität von Renaturierungsmaßnahmen beeinträchtigen. In den letzten zehn Jahren wurden in den Flüssen umfangreiche Renaturierungsprojekte durchgeführt, um die Wasserqualität und die Lebensräume für Flora und Fauna zu verbessern. Obwohl bauliche Maßnahmen wie die Schaffung naturnaher Strukturen positive ästhetische Effekte haben, bleibt das ökologisches Potenzial in Gewässern, die durch geklärtes Abwasser dominiert werden, eingeschränkt.
Zusätzlich zur Artenvielfalt der Mikroben beobachteten die Forschenden auch eine reduzierte Diversität von Mikroalgen und Wasserpflanzen, die hauptsächlich Arten umfassten, die hohe Nährstoffkonzentrationen tolerieren. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, städtische Gewässer als wertvolle Ressourcen für die Umwelt und die städtische Bevölkerung zu fördern.
Urbane Gewässer besitzen ein enormes Potenzial, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern und die Grundwasserneubildung zu unterstützen. Sie können als natürliche Lösungen zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten und zur Förderung des ökologischen Gleichgewichts dienen. Um die Vorteile dieser Gewässer nachhaltig nutzen zu können, sind jedoch angepasste Bewirtschaftungs- und Renaturierungskonzepte erforderlich, die die mikrobiellen Prozesse in den Vordergrund stellen.
Insgesamt zeigt diese Studie, dass ein integrativer Ansatz, der hydrologische, chemische und mikrobielle Daten kombiniert, entscheidend ist, um die komplexen Wechselwirkungen in städtischen Gewässern zu verstehen und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität und der Biodiversität zu entwickeln.